Antikes Boiotien - Ancient Boiotia
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Orchomenos


 

Gründungsinschriften an der Kirche von Skripoú

Die Hauptapsis umzieht eine Stifterinschrift in der Form der Anrufung der Kirchenpatronin, der Panagia Theotókos, und ihres eingeborenen Sohnes zugunsten des Protospatharios Leon und seiner Familie. Dieser war lt. Kirsten-Kraiker Statthalter des byzantinischen Kaisers für Mittelgriechenland mit Amtssitz in Theben.

[Auch wenn Leon an der Westseite des Narthex in iambischen Trimetern als "Beherrscher des altehrwürdigen Orchomenós gefeiert wird", bleibt es m.E. fraglich, ob damit die höchste Autorität im Thema Hellas gemeint sein kann oder ob es sich nicht eher um einen hohen Zivilbeamten und regionalen Verwalter unter dem amtierenden Strategos des Themas handelt. Denn die Themenorganisation war in dieser Zeit des Abwehrkampfes gegen das bulgarische Vordringen, u.a. auch nach Mittelgriechenland, ja noch intakt.]

Auf einem Stein vor dieser Inschrift wurde später die Datierung unter die Kaiser Basileios I., Konstantin und Leon VI. nachgetragen. Inschriften an der Ecke der Nordwand der Prothesis (Paulos-Kapelle) und der Südwand des Diakonion (Petros-Kapelle) nennen deren Errichtung durch denselben Protospatharios Leon im Jahre 6382 seit Erschaffung der Welt unter dem Patriarchat des Ignatios. Da der Beginn der Welt nach byzantischer Zeitrechnung das Jahr 5508 war, ergibt sich damit als Gründungsjahr 874 n. Chr.
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Inschrift an der Ecke der Nordwand der Prothesis (Abb. 18)

Basileios I. (Regierungszeit 867-886) war der regierende Hauptkaiser, sein zweiter Sohn Leon VI. seit 870 Mitkaiser. Konstantin, sein 879 gestorbener Lieblingssohn, war demnach zu dieser Zeit ebenso Mitkaiser. Basileios I. hatte den Patriarchen Photios gestürzt und den früher entmachteten Ignatios wieder als Patriarchen eingesetzt (zweite Amtszeit 867-877).

Dieser Inschriftenstein macht über seine Datierungsaussage hinaus auch eine wertende Aussage zur Funktion der Mitkaiser, die hier offensichtlich nicht nur formal, sondern als so wichtig angesehen wird, daß beide (seine Söhne), obwohl sie keine Herrschermacht ausüben, offiziell der Erwähnung für Wert befunden werden.

(Peter Teuthorn)

Herangezogene Literatur:
Hecht, Winfried: Die Makedonische Renaissance, in Franz Georg Maier, Hrsg.: Fischer Weltgeschichte (Bd. 13) Byzanz, Frankfurt a.M., 1973, Aufl. Dez. 95, S. 183-233, hier S. 192.
Kirsten; Kraiker: Griechenlandkunde, Ein Führer zu klassischen Stätten, Heidelberg4. Aufl. 1962, S. 212.
Matz, Klaus-Jürgen: Wer regierte wann? Regententabellen zur Weltgeschichte, München 1980.
Mazal, Otto: Handbuch der ByzantinistikGraz1989.

   
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