Antikes Boiotien - Ancient Boiotia
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Ranke-Graves, Robert von: Griechische Mythologie, Quellen und Deutung, 2 Bde., deutsch von Hugo Steinfeld, Reinbeck bei Hamburg 1955, 3. Auflage.


27. Dionysos und seine Taten (Auszug)

b. Dann verwandelte Hermes, auf Befehl des Zeus, Dionysos zeitweilig in ein Zicklein oder einen Widder und vertraute ihn den Nymphen Makris, Nysa, Erato, Bromie und Bakche auf dem helikonischen Berg Nysa an. Sie pflegten Dionysos in einer Höhle, verzogen ihn und fütterten ihn mit Honig. Dafür setzte Zeus ihr Abbild unter die Sterne, und nannte es die Hyaden. Auf dem Berge Nysa entdeckte Dionysos den Wein, eine Tat, für die er noch heute gefeiert wird. (2)
Trotz der Verweiblichung, die seine Erziehung bewirkt hatte, erkannte ihn Hera als den Sohn des Zeus. Sie schlug ihn mit Wahnsinn. Er wanderte über die ganze Welt, begleitet von seinem Erzieher Silenos und einer wilden Herde von Satyrn und Mainaden. Deren Waffen waren ein efeuumwundener Stab, auf dessen Spitze ein Tannenzapfen steckte ­ man nannte ihn den Thyrsosstab -, sowie Schwerter, Schlangen und fürchterliche Lärminstrumente. Mit einer Fuhre Wein segelte er nach Ägypten. In Pharos bereitete ihm König Proteus einen freundschaftlichen Empfang. [...](3).     
    
f.
Nach der Niederwerfung Thrakiens reiste Dionysos in sein geliebtes Boiotien. In Theben verleitete er die Frauen, sich seinen Lustbarkeiten auf dem Berge Kithairon anzuschließen. Pentheus, der König von Theben, hatte eine Abneigung gegen die verwahrloste Erscheinung des Dionysos. Er nahm ihn, zusammen mit all seinen Mainaden, gefangen, verfiel aber dem Wahnsinn und fesselte an Stelle des Dionysos einen Stier.  Wieder entflohen die Mainaden und zogen tobend über den Berg, wo sie Kälber in Stücke rissen. Pentheus versuchte, ihrem Treiben Einhalt zu gebieten. Aber von Wein und religiöser Inbrunst berauscht, zerrissen sie auch ihn Glied um Glied. Seine eigene Mutter Agaue führte die Rasenden an. Sie war es, die ihrem Sohn eigenhändig den Kopf abriß (7).

g. In Orchomenos weigerten sich die drei Töchter des Minyas, Alkithoe, Leukippe und Arsippe - letztere auch Aristippe oder Arsinoe genannt -, an den Ausschweifungen teilzunehmen. Dionysos selbst, als Mädchen verkleidet, hatte sie dazu eingeladen. Darauf wechselte er seine Aufmachung und erschien nacheinander als Löwe, als Stier und als Panther. Die Mädchen wurden wahnsinnig. Leukippe bot ihren eigenen Sohn Hippasos als Opfer an. Die drei Schwestern rissen ihn in Stücke und verschlangen ihn. Dann zogen sie in wilder Lust über die Berge, bis endlich im Hermes sie in Vögel verwandelte. Manche sagen, Dionysos habe sie in Mäuse verwandelt (8). Der Mord an Hippasos wurde hernach in Orchomenos alljährlich bei einem Feste, das Agrionia «Aufforderung zur Wildheit» hieß, gesühnt. Die Regeln schrieben vor, daß eine Schar von weiblichen Adepten zunächst den Dionysos suchte und, wenn sie feststellte, daß er mit seinen Musen über alle Berge wäre, sich im Kreise zu Rätselspielen niederließ, bis der Priester des Dionysos aus seinem Tempel eilte und die, die er zuerst fing, mit einem Schwerte tötete(9).


Fußnoten:
2. APOLLODOROS III, 4, 3; HYGINUS, Fabel 182; THEON über Aratos’ Phainomena 177; DIODORUS SICULUS III, 68-69; APOLLONIOS RHODIDIUS IV, 1131;SERVIU5 über VERGILS Ecloga VI, 15.
3. APOLLODOR05 III, 5,1; AISCHYLOS, Die Edoner, ein Fragment; DIODORUS SICULUS III, 70-71.
7. THEOKRIT0S, Idylle XXVI; 0vid, Metamorphosen III, 714 ff, Euripides, Bakchai, passim.
8. OVID, Metamorphosen IV, 1-40; 390-415; ANTONINU5 LIBERALIS 10, AELIAN, Varia Historia III, 42; PLUTARCH, Griechische Fragen 38.
9. PLUTARCH a. a. O.


Gottweins
kleines
Lexikon der Mythologie
(externer Link)










Auf dem Helikon entdeckt Dionysos den Wein.










Dionysos bringt den Wein nach Ägypten.








Der thebanische König Pentheus wird durch die Mainaden unter Anführung seiner Mutter Agaue im dionysischen Weinrausch getötet.



In Orchomenos versetzt Dionysos die drei Töchter des Minyas in Wahnsinn, worauf sie den Sohn der Leukippe. Hippasos, in Stücke reißen.




Diese Tat wird später in Orchomenos alljährlich durch die Festspiele der Agrionia gesühnt.

 

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