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[ Anfahrt | Geschichte | Sehenswertes | Tipps | Plan ]

Das Kabiren-Heiligtum


Anfahrt

Theben (Thiva) ist der ideale Ausgangspunkt für eine Besichtigung des Kabiren-Heiligtums. Man verläßt Theben in der Nähe des Museums in Richtung Westen und gelangt in den Vorort Pyri. An dessen Ortsgrenze stößt man auf die Makadamstraße, die nach Levádeia und Delphi führt. Nach ca. 3 km Fahrt überquert die Straße das Tal des in den Ilikistausee fließenden Kanavari.

500 m weiter verläßt man die Straße (das kleine braune Hinweisschild zum Kabiren-Heiligtum wird gerne übersehen) und folgt einem rechtwinklig nach Süden abbiegenden Schotterweg, überquert zunächst einen Entwässerungskanal und fährt, einem Bach folgend, in ein kleines Seitental. 250 m weiter stößt man auf einen Pfad, der nach ca. 1000 m zum Kabiren-Heiligtum führt.

Geschichte

"Wer die Kabeiren sind und was für Kulthandlungen für sie und Demeter begangen werden, darüber Schweigen zu bewahren, mögen mir diejenigen verzeihen, die es gern hören möchten." (Pausanias 9, 25, 5)

Sagt Pausanias auch nichts über den Kult für die Kabiren und Demeter, so wissen wir heute, daß der Kult des Gottes Kabiros (in Theben wird Kabiros dem Gott Dionysos gleichgesetzt) und dessen Sohn Pais sich seit dem späten 10. Jh. v. Chr. nachweisen läßt.

Die Kabiren waren frühe Fruchtbarkeitsgötter, denen die Besucher des Heiligtums Tongefäße, Bronze- und Tonfiguren, sowie Brandopfer brachten.

Im 6. Jh. v. Chr. begannen die baulichen Ausgestaltungen der Gebäude des Heiligtums, und sie reichten bis in das 4. Jh. n. Chr. Nach dem Verbot der heidnischen Kulte durch Theodosius I. (392 n. Chr.) verfielen die Bauten.

Die erste bauliche Anlage war kein Tempel, sondern ein durch Mauern umschlossener heiliger Bezirk, in dessen Zentrum nur ein Altar für Brandopfer stand.

Im 5. Jh. v. Chr. wurden im heiligen Bezirk Symposienhäuser, Rundbauten und eine Wasserleitung aus Tonröhren gebaut. Gleichzeitig wurden unter dem Einfluß des Dionysoskultes bäuerliche Spiele aufgeführt.

Die Symposienhäuser wurden im 4. Jh. v. Chr. durch ein Apsidenhaus, welches eventuell als Lagerhaus genutzt wurde, ergänzt.

Im 3. Jh. v. Chr. mußten fast alle Symposienhäuser zu Gunsten eines größeren, mit einer Steinmauer eingefaßten Platzes mit einem Rundaltar in der Mitte weichen. Dieses tempelähnliche Gebäude mit Vor- und Hauptraum diente vermutlich den oben angeführten Mysterienspielen (Dromena).

Als Zuschauerraum wurde der sich nach Osten anschließende Berghang genutzt, der nach Süden durch Aufschüttungen und Stützmauern erweitert wurde.

Nach der Verlegung des Rundaltars auf den Hang (2. Jh. v. Chr.) errichtete man im Temenos einen Tempel mit Vorhalle. Von Süden her kam ein Prozessionsweg, der über eine Treppe durch zwei Säulenhallen zum Tempel führte.

Nach Verwüstungen des Heiligtums im 1. Jh. v. Chr. wurde in der Kaiserzeit aus Spolien ein neuer Tempel errichtet. Der Zuschauerplatz wurde ebenfalls in der Kaiserzeit zu einem Theater mit Sitzreihen und Orchestra ausgebaut.

Bei der Standortwahl des Heiligtums scheint die Wasserversorgung eine bedeutende Rolle gespielt zu haben, die gleichzeitig aber auch eine Gefahr durch Überschwemmung bedeutet hat. Kanal, Wasserbecken und Rohrleitungen zeigen das Bestreben, Wasser gezielt durch das Heiligtum zu leiten. Ein 1965 freigelegter Brunnen führt heute noch frisches Wasser.

Aus literarischen Quellen erfahren wir von diesem Heiligtum, das sich gemessen an seinem Alter durchaus mit berühmten Heiligtümern, wie dem Heiligtum von Olympia vergleichen kann, wenig.

Entdeckt wurde das Kabiren-Heiligtum in der Neuzeit, im Jahr 1887, größere Ausgrabungen fanden in den Jahren 1956 bis 1966 statt.

Rundgang durch das Heiligtum

Auf dem Rundgang führen die Nummern (in Klammern) den Besucher zu den beschriebenen Sehenswürdigkeiten. Siehe Plan.

Am Wächterhaus (1) vorbei gelangt man in das Heiligtum und hat gleich den nach Westen geöffneten Zuschauerraum vor sich. Es lohnt sich, vom Podest (2) aus seinen Mitreisenden eine Kostprobe der Akustik zu liefern.

Oberhalb der Theatersitze (3) finden sich Reste eines Rundbaus mit Opfergrube (4) und einer Nische, die in die Umfassungsmauer (5) aus römischer Zeit integriert ist. Die Nische wie auch die Hallen der Südostanlage und der Südwestanlage (6) könnten im Heiligtum ablaufenden Feierlichkeiten gedient haben. Beide Hallen sind verhältnismäßig schmal. Sie wurden wohl nicht als Schlafstätten, sondern als Schutz der Besucher vor Sonne genutzt.

Über eine Treppenstraße gelangt man zu den Überresten einer ionischen Säulenreihe (7), die an die Südseite des Tempels (8) anschließt. Gemeinsam mit der Tempelfront muss sie bei den Mysterienaufführungen einen eindrucksvollen architektonischen Hintergrund gebildet haben.

Zentrum des Heiligtums ist der Tempel, der ständig Veränderungen und Umgestaltungen erfuhr. Der Temenos ist von einer Mauer (9) eingefasst.

Besonderes Augenmerk muss auf die Wasserversorgung im Heiligtum gelenkt werden. Das östliche und das westliche Doppelbecken (10) dienten als Wasserreservoir. Durch diese wurde das Heiligtum unabhängig von der unregelmäßigen Wasserzufuhr der Quellen.

Ein Kanal (11) mit seinem heute noch stellenweise sichtbaren Leitungssystem versorgte das Heiligtum mit Wasser.

Wasserrinnen im mittleren Rundbau (12) und im Rechteckbau (13) weisen auf deren Wasserversorgung. Ein kurzes Leitungsstück östlich der Grenzmauer zeigt, dass auch im Tempel Wasser gebraucht wurde.

Besondere Aufmerksamkeit verdient der Brunnen (14), dessen Wasserspiegel 7 m unter der Erdoberfläche liegt. Warum so viel Wasser im Heiligtum gebraucht wurde, ist nicht bekannt.

An der Grenzmauer im Osten des Rechteckbaus - hier sind Feuerstellen zu erkennen - findet sich der Rest einer polygonalen Mauer aus dem 5. oder 6. Jh. v. Chr.

Die Besichtigung des Kabirenheiligtums erfordert keine außergewöhnliche körperliche Fitness. Um das Gelände erkunden zu können, empfiehlt sich das Tragen von festem Schuhwerk und langen Hosen.

Tipps
Als Abschluß der Besichtigung sollte der Besuch des Museums von Theben auf dem Plan stehen, in dem in Saal B in Vitrine 20 wenige, aber sehr schöne Weihgeschenke ausgestellt sind. Bei einem Kaffee oder einem Glas Wein in einem der vielen kleinen Cafés in der Fußgängerzone kann man den Tag wunderbar Revue passieren lassen. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere an die vielen Mythen, die uns um Theben überliefert sind.


Plan

© Ute Hoepfner
April 2002

 



 

Text als Reiselektüre

   
 
Abzweig & Hinweisschild
   
 
Zuschauerplätze
   
 
Brunnen
   
 
Tempel
   
 
Römische Mauer
   
 
Römische Mauer mit Teil Osthalle
   
 
Grabungshaus
   
 
Gelageszene am Grabungshaus
   
 
Sammlerstücke
   
   
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