Antikes Boiotien - Ancient Boiotia
home geschichte orte quellen & literatur glossar reise werkstatt vorträge & aufsätze impressum
 


Kopais


 


Flutkatastrophen

Die Deukalionische Flut
Weitere Flutereignisse gegen 1200 v. Chr.


Die Deukalionische Flut

Basis dieser Untersuchung ist ein Artikel von Knauss in der Zeitschrift Antike Welt, Nr. 3, 1987, S. 23 - 41.

Die in den Quellen häufiger erwähnte Deukalionische Flut muß um etwa 1550 v. Chr. geschehen sein. Sie steht in direktem Zusammenhang mit dem Ausbruch des Thera auf dem heutigen Santorin. Platon berichtet im Timaios (1) und Kriton (2) im Zusammenhang mit dem Untergang von Atlantis auch von der "verheerenden Deukalionischen Flut", die, verbunden mit Erdbeben, nur eine von mehreren Flutkatastrophen gewesen sei. Pausanias, der sich in seiner Beschreibung Griechenlands sehr auf einheimische Erzählungen stützt, berichtetet von einer Flutkatastrophe, die zu einer Verlegung der Siedlungen Athen und Eleusis führte (3). Die Deukalionische Flut wird in der Parischen Chronik aus dem 3. Jahrhundert in das Jahr 1529 datiert und ausführlicher beschrieben (4). Bereits antike Gelehrte lokalisierten den dort genannten Ort Lykoreia in die Nähe Delphis, oder haben noch den exakten Ort gekannt (5).

Sind dieses alles späte Zeugnisse der antiken Literatur, die nicht als Quellen wörtlich für wahr gehalten werden dürfen, so bleibt dennoch festzuhalten, daß einerseits die Erinnerung gerade an solch große Katastrophen im kollektiven Gedächtnis der Menschen lange überleben und fast unverfälscht in ihrer Aussage weitergegeben werden können. Dagegen ist es eher unwahrscheinlich, daß in sich stimmige Details, wie im weiteren Text zu sehen sein wird, komplett erfunden sein können. Der Ausbruch des Thera wird nach geologischer Untersuchung von der Wissenschaft in die Zeit von 1600 - 1450 datiert (6). Gleichzeitig gibt Knauss für den lokalen Sintflutmythos eine in sich stimmige Erklärung.

Er lokalisiert dieses Ereignis im Parnaß, wo der Livadi-See, ein auf 1450 m Höhe gelegenes Katawothrensystem, ähnlich dem des Kopaisses, bei Delphi liegt (7). Nach dem Ausbruch des Thera auf dem heutigen Santorin kam es in der Folge zu starker Kondensation an den ausgestoßenen Aschepartikeln. Diese wurden durch Luftströmungen u.a. nach Boiotien getrieben und führten zu besonders starken, wolkenbruchartigen Niederschlägen im ganzen Gebiet (8). Der Abfluß des Livadisees durch sogenannte Sinklöcher und Katawothren wurde durch ein in Verbindung mit dieser plattentektonischen Aktivität auftretendes Erdbeben versperrt, so daß sich der See innerhalb eines Jahres auf 35 m Höhe aufstaute. Die Topographie dieses Geländes begünstigt die direkte Zufuhr von Niederschlägen, weil das Wasser in den felsigen Gebieten fast nicht gespeichert werden kann und weil, bedingt durch die hohe Lage von 1400 m und mehr die Niederschlagsmenge naturgegebenerweise zunimmt. Die auf einem kleinen Inselberg in der Mitte des Sees gelegene Stadt Lykoreia wurde in Folge überschwemmt und schließlich ergoß sich eine gewaltige Flutmasse über den tiefsten Gebirgspaß (9).

Da dieser See im Einzugsgebiet des Kopaissees liegt, wurde diese Region unmittelbar von dieser Flutkatastrophe betroffen (10). Der für diesen Vulkanausbruch ermittelte Zeitpunkt liegt, wie oben geschrieben, zwischen 1600 v. Chr. und 1450 v. Chr. Im 15. Jahrhundert gab es generell einen Rückgang in der Siedlungstätigkeit in Griechenland, am Parnaß und anderen umliegenden Gegenden (12), was ebenfalls auf einen Zusammenhang mit diesem Vulkanausbruch hindeutet. Für diesen lokalen "Sintflutmythos" gibt es also einen realistischen Hintergrund. In der Kopais wurde bei Akraiphia von Knauss im Jahr 1984 eine Schichtfolge in einer Baugrube genauer untersucht, mit dem Ergebnis, daß für die Zeit um 1500 v. Chr. eine auffällige schwarze Humusschicht nachgewiesen werden konnte (13). Diese kann laut Autor nur durch eine Flutkatastrophe entstanden sein.

Die Verlegung der Stadt Orchomenos,sowie weiterer Siedlungen am Westrand der Kopais wegen Hochwassergefahr, werden in der antiken Literatur häufiger erwähnt (14).

Anhand der Berechnung der jährlichen Sedimentationsrate unter ähnlichen oder gleichen natürlichen Bedingungen wird für eine Schichtfolge die Datierung vorgenommen. Die errechneten Werte sind relativ und zeigen bei gleichen Bedingungen einen ähnlichen Sedimentcharakter, das heißt gleiche Farbe, einheitliche Korngrößenzusammensetzung und gleicher oder ähnlicher Stoffgehalt. An Abweichungen, wie den auf dem Foto gut zu erkennenden schwarzen Streifen, lassen sich besondere Ereignisse wie Hochwässer ablesen.

Weitere Flutereignisse gegen 1200 v. Chr.

Vermutlich gab es aber auch später analoge Ereignisse in der Kopais, wie der Einsturz einer Katawothre und anschließende Hochwassergefährdung der Kopais. So berichtet Strabon (15) von Erdbeben und Zerstörungen von Wasserbauten und Entlastung der Kopais durch Öffnung einer Katawothre. Pausanias (16) berichtet von einer Umleitung des Kephissos in die orchomenische Ebene, weil Herakles den unterirdischen Abfluß unter dem Gebirge verstopfte.   Eine zweite Flut wird von Knauss für ca. 1200 v. Chr. angenommen (17), analog zur Zerstörung Glas, weil bei Strabon eine Überschwemmung von Arne und Mideia erwähnt werden (18), die jedoch in Homers Schiffskatalog noch vorkommen. Diese Flutkatastrophe hat also wohl kurze Zeit nach dem troianischen Krieg stattgefunden.

Die Gebäude Glas zeigen Feuerspuren, vermutlich von durch Erdbeben herabgestürzte Holzdächer ausgelöst (19). Parallelen hierzu gibt es in anderen Siedlungen und Burgen der Region. Im Späthelladikum lll B bis C kam es auch im gesamten Griechenland zu einem dramatischen Rückgang der Bevölkerung, zum vollständigen Zusammenbruch der mykenischen Welt (20). Es ist zu beachten, daß manche der zerstörten Orte in Homers Schiffskatalog (21) durch ihrere Epitheta noch als besonders reich oder fruchtbar charakterisiert sind: die räumige Stadt Mykaléssos, die herrliche Feste Medeion, das wiesenreiche Haliartos und das traubenreiche Arne. Orchomenos ist durch seinen Reichtum in der Lage, 30 Schiffe für diesen Feldzug zu entsenden. Strabon hingegen berichtet von der Überschwemmung Arnes und Mideias (22).
 
© Christina Dieckhoff 2001
 


_______________________________
(1): Schleiermacher, F. und Müller, H. (Übers.): Platon, Timaios, 22 a und b, Hamburg 1959.
(2): Schleiermacher, F. und Müller, H. (Übers.): Platon, Kriton, 112 a und b.
(3): Pausanias, 9,24,2: Nach der Sage der Boioter wurden einst am See auch noch andere Städtchen bewohnt, nämlich Athen und Eleusis; bei einer Überschwemmung zur Winterszeit vernichtete sie der See. Strabon, 1,3,8.
(4) Knauss, J.: Deukalion, Lykoreia, die große Flut am Parnaß und der Vulkanausbruch von Thera. In: Antike Welt 3, 1987. S. 23 - 41.Die Parische Chronik, mehrfach zitiert bei Nichols, M.: Man, Myth and Monument, Übers. Bavendamm, J., München 1980, ist eine fragmentarisch erhaltene Inschrift aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. Der 2. Eintrag besagt, daß Deukalion seit 1574 v. Chr. König in Lykoreia warund der 4. Eintrag, daß Deukalion im Jahr 1529 vor den Wassermassen nach Athen floh. Im 5. und 6. Eintrag werden die Söhne Deukalions, Hellen, Stammvater der Griechen und Amphiktyon genannt.
(5): Strabon, 9, 3, 3 und 9, 3, 13. Spuren einer Siedlung oder deren Reste an der westlichen Umrandung des Livadi nahe der korkyrischen Grotte werden bei Pausanias genannt.
(6): Mommsen, Hans: Archäometrie, Stuttgart 1986 schreibt auf S. 275, aus mehreren Testreihen seien die vertrauenswürdigsten jene, in denen organische Proben aus der zerstörten Stadt Akrotiri auf Thera Holz- und Pflanzenreste untersucht wurden. Dies ergab eine Datierung des Vulkanausbruches auf das Jahr 1610 v. Chr., mit einer möglichen Abweichung von ca. 90 Jahren.
(7): Knauss, J.: Deukalion, S. 34 - 36.
(8): Knauss, J.: Deukalion, S. 32.
(9): Knauss, Deukalion, S. 37.
(10): Knauss, J.: Deukalion, S. 39.
(12): Knauss, J.: Zur Datierung der Deukalionischen Flut in der Kopais. In: Internationales Böotien Kolloquium, München 1986, S. 19.
(13): Buck, A History of Boeotia, S. 40 und speziell zum Parnaß: Hope-Simpson, A Gazetteer and Atlas of mycenean sites, London 1965, S. 130.
(14): Knauss, J.: Datierung Deukalionische Flut, S. 20 - 21.
(14): Strabon, lX, 407; Stephanos Byzantios, Athena; Pausanias, lX, 24, 2 und lX, 38, 7; Polyän, 1, 3, 5 und Diodor, 4, 18.
(15): Strabon, 9,2,16 und 9,2,18.
(16): Pausanias, 9,38,7: Die Thebaner sagen, der Fluß Kephisos sei von Herakles in die orchomenische Ebene geleitet worden; bis dahin sei er unter dem Berg weg in das Meer gegangen, bis Herakles den Schlund verstopfte. Ein Zeichen dafür, daß der Abfluß durch die Katawothren durch Erdbeben gestört wurde und eine Überschwemmungskatastrophe folgte.
(17): Knauss, J., Die Melioration des Kopaisbeckens durch die Minyer. München 1987. S. 113-14.
(18): Strabon, 1,3,18.
(19): Hope-Simpson, R.: A Gazetteer and Atlas of Mycenean Sites, London 1965, S. 116.
(20): Buck, A History of Boeotia S. 42.
(21): Homer, Ilias, 2 498-516.
(22): Strabon, 1,3,18.


 

 

antikesboiotien.uni-muenchen.de - vorläufiger kontakt: boiotien@teu-net.de