Antikes Boiotien - Ancient Boiotia
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Kopais


Deichbauten

 


Erste Eindeichungen zur Landgewinnung

(Mittelhelladikum ca. 2000 - ca. 1550 v. Chr.)

In der ersten Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr. gab es im Kopaisbecken einen ganzjährigen See, der im Winter eine Tiefe von 2,5 m hatte. Sie reduzierte sich bei entsprechender Witterung im Verlauf des Jahres auf etwa 1 m. Im Winter stand das Wasser bis zur Höhenlinie 95 m, im Sommer bis zur Höhenlinie 93,5 m. Zuflüsse des Melas und der Herkyna glichen im Sommer zum größten Teil die Verdunstungsverluste aus. Der geschätzte mittlere Seegrund lag bei 92,5 m.


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Siedlungen dieser Zeit lagen am Westrand des Kopaissees auf sogenannten Schwemmfächern ab der Höhenlinie 95 m und darüber. Als Anreiz zu deren Gründung mag der Fischreichtum des Sees, die landwirtschaftlich verfügbare Fläche im Hinterland und die besondere Fruchtbarkeit des Bodens gedient haben. Des weiteren gab es auch Siedlungen auf den felsigen Inselbergen, Halbinseln und Vorsprüngen des Gebirgsrandes im Bereich der Nordostbucht. Von Winter bis Frühjahr, der für das Pflanzenwachstum günstigsten Zeit, kam es zur Seeausdehnung durch Hochwasser. Im Sommer, der ungünstigeren Wachstumsperide, fiel der Kopaissee allmählich wieder trocken. Nach Pausanias (1) und Strabon (2) sind in der Antike noch Siedlungen an der Mündung von Triton, Phalaros, Melas und Herkyna Siedlungen überliefert. Diese sind nach Knauss durch Bruchstücke sogenannter grauminyscher Keramik am Westrand der Kopais nachgewiesen (3).


Wasserhaushalt
Wie anhand der Karte deutlich zu erkennen ist, hat der  Kopaissee mehrere Zuflüsse (Kephissos, Melas, Herkyna, Phalaros, Triton und andere). Durch sein Relief - der Kopaissee ist ein nach allen Seiten hin abgeschlossenes Becken mit zum Teil steil aufragenden Kalkfelsen - kann das Wasser oberirdisch nicht abfließen. Der leicht wasserlösliche Kalkstein in schräger Schichtlage ermöglichte durch Lösungsvorgänge und Verwitterung einen unterirdischen Wasserabfluß an der Ost- und Nordostseite des Kopaissees. Es entstanden gut sichtbare Höhlen am Seerand, für jeden Beobachter gut sichtbar floß das Seewasser zum Beispiel durch die größte Höhle - die große Katawothre - in der Nordostbucht ab. Diese Bucht fiel gegen Ende der Wachstumsperiode trocken (4).

Landgewinnung
Daher begann man schon zu dieser Zeit mit wasserbaulichen Maßnahmen und fing an, den See aus manchen Buchten auszusperren und auf der Höhenlinie 95 m 1 m hohe Dämme relativ einfacher Bauweise gegen Hochwasser anzulegen (5), um so geschützte Flächen für die Landwirtschaft zu haben. Bei normalen Hochwässern reichten diese baulichen Maßnahmen zur Landgewinnung völlig aus. Der Nachweis dieser frühen Bauten ist nicht in jedem Fall einfach, da, wie Knauss vermutet, einige der nach 1529 v. Chr. entstandenen Bauten mit Sicherheit auf ihren Vorläufern errichtet und von diesen ersetzt wurden (6). So vermutet Knauss, daß der 6 km lange Damm des Polders bei Turlojannis bereits im Mittelhelladikum entstanden sei, was durch Scherbenfunde in diesem Gebiet zu belegen sei (7). Ein 2 km langer Damm entstand in der sogenannten Bucht von Davlos (Medeion) im Süden der Kopais. Er diente ebenfalls zur Errichtung eines Polders und damit der Landgewinnung, ebenso der Polder in der Kapsorouti-Bucht nördlich von Kopai (8). Ein Damm in der Bucht hinter der Felseninsel von Gla lag auf der Höhenlinie 96 m und diente vermutlich der Errichtung eines künstlichen Sees als Trink- und Brauchwasserspeicher für die nahegelegene Siedlung und für die Bewässerung der Felder (9). Die auf den Inselbergen gelegenen Siedlungen werden zu Akropolen der wegen der Zunahme der Bevölkerung in dieser Zeit neu errichteten Unterstädte in den eingedeichten Poldern. Beispielsweise gibt es einen 1 km langen, 500 m breiten Geländestreifen am Deich des Gla-Polders in 500 m Entfernung zu Gla, der laut Knauss Indizien für Siedlungsreste aufweist (10). Ein analoger Fund wäre im Polder am Fuß des Nisi von Strowikion zu erwarten, muß jedoch noch durch Grabungen bewiesen werden, da keine Scherben an der Oberfläche zu finden sind. Diese sind vermutlich mit Seeablagerungen von mindestens 0,75 m Stärke überdeckt (11).

Diese Art von Wasserbauten ist zu dieser Zeit schon im gesamten Griechenland nachzuweisen. Knauss vermutet, dass es sehr unwahrscheinlich sei, daß ein ausgereiftes und funktionierendes System, wie es nach 1550 entstand, aus dem Nichts entstand (12). Neben dem Wissen über die genauen örtlichen Gegebenheiten und die Technik der lehmbedichteten Steinmauern müssen daher schon Vorläuferbauten existiert haben. Die ersten Dämme waren jedoch wohl noch nicht systematisch in größerem Zusammenhang angelegt (13).
 


©Christina Dieckhoff 2001

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(1):   Pausanias, 9,24,2 und lX, 30, 11.
(2):   Strabon, 9,2,18 und 9,2,42
(3):   Knauss, J.: Die Wasserbauten der Minyer in der Kopais, (Kopais 2), München 1987, S. 103.
(4):   Knauss, Kopais 2, S. 103.
(5):   Knauss, Kopais 2, S. 104; Knauss, J.: Die Wasserbaukultur der Minyer in der Kopais. In: Boiotika.
         Vorträge vom 5. Internationalen Böotien-Kolloquium, München 1989, S. 266 - 67 und
         Knauss, J.: Die Wasserbauten der Minyer in der Kopais, München 1984, S. 205f.
(6):   Knauss, J. Kopais 2, München 1987, S. 145f
(7):   Knauss, J.: Wasserbaukultur, S. 268.
(8):   Knauss, Kopais 2, S. 105-106., Knauss, Wasserbauten, S. 205.
(9):   Knauss, Kopais 2, S. 106.
(10): Knauss, Kopais 2, S. 106.
         Eine ausführlichere Beschreibung gibt es in Knauss, Wasserbaukultur, S. 213 - 226. (11): Knauss, Kopais 2, S. 106.
(12): Knauss, J.: Kopais 2, S. 145 f.
(13): Knauss, J.: Kopais 2, S. 145 f. und S. 108.



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