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Orchomenos


 


Die minysche Keramik

Für die mittelhelladische Zeit (2000-1600) ist eine monochrome, besonders häufig graue Ware typisch, die die Ausgräber nach der vorangegangenen Bezeichnung durch Schliemann minysch (nicht minyisch) nannten. Diese Keramik kommt in Orchomenós besonders häufig vor, ist aber nicht hier entwickelt worden und hat auch nichts mit den Minyern zu tun. Vielmehr hat sich diese Bezeichnung über Orchomenós hinaus als ein Hauptbegriff [1] für die Keramik dieser Epoche in Griechenland durchgesetzt.

Leider sind die Funde aus der Grabung Bulles immer noch nicht veröffentlicht. Darüber hinaus sind die Orchomenosfunde des Museums von Chaironeia z.Zt. nicht zugänglich, da dieses wegen Erdbebenschäden seit längerem geschlossen ist. So muß auf Hinweise zurückgegriffen werden, die Lauffer "aus eigener Beobachtung" gegeben hat [2], sowie auf die umfangreichen Darlegungen von Schachermeyer [3] zur Keramik der Gesamtepoche in Griechenland.

Nach der Zerstörung der Siedlungen der Vorgängerkultur um 2000 kommt nach einer Übergangszeit mit der minyschen Ware eine neuartige Keramik zu voller Blüte. Schachermeyer nennt vier unabdingbare Kennzeichen für diese minysche Keramik:

1. Gleichfarbigkeit von Gefäßwand und Tonkern
2. speckiges Ansehen der Gefäßwand
3. scharfe Profilierung
4. Horizontalriefen teils an weitmündigen Gefäßrändern, teils an hohen Becherfüßen.

Alle Kriterien werden nur durch die grauminysche Ware erfüllt. Diese Gefäße sollen zweifellos in der Form und der Oberflächenbeschaffenheit metallische Gefäße nachahmen. Dabei steht die graue Ware für die Imitation von Silber. Die Gefäße sind meist symmetrisch und haben häufig 2 oder auch 4 Henkel. Meist, aber nicht immer und überall, sind sie auf der Töpferscheibe gedreht. "Die grauminysche Gattung zeigt als spezifisch "minysche" Züge die ungemein glatte gleichsam speckig oder seifig aussehende und sich anfühlende Oberfläche [...] und außerdem ganz scharfe, gleichsam gedrechselt anmutende Formen." [4] Die frühelladischen Formen von Saucière und Askos finden sich nicht mehr.

In Orchomenos kommt neben der hartgebrannten, dünnwandigen überwiegend grauminyschen Ware auch rotbraune, braune und gelbliche Keramik vor. Bei den Formen überwiegen Becher mit hohem Fuß, Näpfe und Schüsseln [5]. Lauffer nennt an charakteristischen grauminyschen Stücken, die sich im Athener Nationalmuseum befinden, einen gut erhaltenen Becher mit geriefeltem Fuß (Inv. nr. 5854) und mehrere Kantaroi (Inv. nr. 5865)

Minyscher Becher aus Theben, Vitrine 9 (Abb. 16)

Anmerkungen zur sytematischen Einteilung und wissenschaftlichen Aufarbeitung der Keramik von Orchomenós
Emil Kunze hat sich fast 50 Jahre nach seiner letzten Veröffentlichung zur Keramik von Orchomenós noch einmal im Nachwort von Penelope Mountjoys Arbeit Orchomenos V von 1983 (siehe unten) zum Aufarbeitungsstand der Keramik von Orchomenós geäußert. Wegen seiner unstrittigen Kompetenz zu dem Themenkomplex scheint es mir sinnvoll, sich an seinen Hinweisen zu orientieren.

Die Keramik läßt sich in 4 Kategorien einordnen:

  1. Neolithikum / frühe Bronzezeit ( bis 2500) /
    bei Bulle [6] "irrig" (lt. Kunze) Rundbautenschicht
    publiziert durch Kunze, Emil: Orchomenos II, Die Keramik der neolithischen Zeit, München 1931.

  2. Frühhelladikum / frühe Bronzezeit (2500-2000)
    Siehe auch Bulle S. 53 ff ("ältermykenische Schicht")
    publiziert durch Kunze, Emil: Orchomenos III, Die Keramik der frühen Bronzezeit, München 1934.

  3. Mittelhelladikum / mittlere Bronzezeit (2000-1600)
    Siehe auch Bulle S. 69 ff ("jüngermykenische Schicht")
    Keine wissenschaftliche Aufarbeitung! Die geplante Weiterarbeit Kunzes wurde zunächst durch Mittelknappheit, dann durch den 2. Weltkrieg unterbrochen.

  4. Späthelladikum / späte Bronzezeit (1600-1150)
    Hierzu hat P. Mountjoy einen systematischen Überblick vorgelegt. Mountjoy, Penelope: Mycenean Pottery from Orchomenos, Eutresis and other Boeotian Sites, mit einem Nachwort von E. Kunze, München 1983.

(Peter Teuthorn)

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1) Ein weiterer Haupttypus ist die mattbemalte Keramik
2) Lauffer; Hennig: Orchomenos, in RE Suppl.-Bd XIV (1974), Sp. 290-355, hier Sp. 307/308.
3) Schachermeyer, Fritz: Prähistorische Kulturen Griechenlands, in RE XXII, SP. 1463-1470.
4) ebd. Sp. 1464.
5) Lauffer, Sp. 307.
6) Bulle, Heinrich: Orchomenos, I die älteren Ansiedlungsschichten, München1907.

   
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