Antikes Boiotien - Ancient Boiotia
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Orchomenos


 

Zeittafel Orchomenós

(blaue Zahl=orchomenische Geschichte; schwarze=allgemeine griechische Geschichte)

4. Jahrtausend
Siedlungsspuren in der ältesten neolithischen Schicht von O.

um 2500
Rundbauten in der frühhelladischen Schicht

um 2000
einwandernde Frühgriechen zerstören Vorgängerkultur und bauen Rechteckhäuser

1600-1200
Unter dem frühgriechischen Volksstamm der Minyer (= um 2000 eingewanderte Frühgriechen) erreicht O. in späthelladisch-mykenischer Zeit den Höhepunkt seiner Bedeutung. Möglicherweise umfaßte das minyische Reich ganz Boiotien.

um 1200
Boiotier wandern aus Thessalien ein. Orchomenós, Zerstörung des Palastes; O. verliert an Bedeutung, die Enwässerungsanlagen verfallen. In der Folge wird das Hinterland von O. zu einem Sumpf- und Seegebiet.

? im 8. Jhdt. [wohl zu ungenau]
O. herrscht nur noch über Aspledon und Chaironeia, während der boiotische Bund unter Führung Thebens immer stärker wird. "Bald darauf" muß dem böotischen Bund unter Hegemonie Thebens beitreten. Gegen seinen Rivalen Theben wird O. durch Sparta unterstützt. (Lauffer-Lexikon)

520
Gründung des Boiotischen Bundes (nach Buck, RE336)

zw. 510 und 506
Wahrscheinlicher Anschluß O.´s an den Boiotischen Bund, spätestens jedoch zur Zeit des Perserkrieges 480 (nach Buck II)

500-494
Ionischer Aufstand

490
Schlacht (athenischer Sieg) bei Marathon

480
Niederlage der Griechen gegen die Perser / Schlacht bei den Thermophylen

480
Orchomenós geht wie das übrige Boiotien nach dem Sieg der Perser bei den Thermophylen auf die Seite des Perserkönigs Xerxes über. Die persische Armee betritt bei ihrem Vormarsch von Phokis nach Boiotien zuerst das Stadtgebiet von Orchomenós. (Herodot VIII 34). Der erste Ort, der betreten wurde, muß Chaironaia gewesen sein, so dass diese Stadt zu dieser Zeit noch zu O. gehört haben muß. (RE 336)

480
Seesieg der Griechen / Niederlage des Xerxes bei Salamis

479
Sieg der Griechen über die Perser in der Schlacht bei Plataiai. Damit beginnt Athens Aufstieg zur Seemacht und zur Vorherrschaft über Griechenland. Boiotischer Bund wird wegen Perserfreundlichkeit aufgelöst.

478/7
Gründung des delisch-attischen Seebundes Ziel = Vertreibung der Perser aus den Städten und den der kleinasitischen Küste vorgelagerten Inseln.

476-466
Befreiung der Küste Kleinasiens von den Persern unter dem Athener Kimon

457
Schlacht von Tanagra (Sicht O.) Sieg der Spartaner zusammen mit ihren Verbündeten gegen die sie angreifenden Athener bei ihrer Rückkehr von einem Krieg gegen die Phoker. Athen hatte gemeint, leichtes Spiel zu haben. Des weiteren war evtl. ein Grund die Furcht vor einem Oligarchenputsch mit spartanischer Hilfe. Thuk. I 107.

457
Schlacht von Oinophyta (6 Wochen nach Tanagra) Athen nimmt Revanche für Niederlage bei Tanagra und erobert Boiotien und Phokien. Thuk. I 108

Mitte 5. Jhdt.
Orchomenos behält Sonderprägung von Münzen bis Mitte des 5. Jhdts. bei (RE336). Anschluß an Boiotischen Bund also wohl zu dieser Zeit.

449
Friede zw. Persien und Athen (sogen. Kaliasfrieden)

447/446
Anschluß O.´s an den Boiotischen Bund (sicherer terminus post quem lt RE 336/338) Denn auf einer Weihe-Inschrift in Delphi bezeichnet sich der Stifter als Boiotier aus Orchomenós (RE338). O. ist maßgeblich an der Befreiung Boiotiens von der athenischen Vorherrschaft beteiligt, die seit dem athenischen Sieg bei Oinophyta bestanden hatte (RE337). Niederlage des athenischen Heeres in der Nähe von Koronaia, nach dem es das früher besetzte und durch orchomenische Truppen befreite Chaironeia verlassen hatte. Nach Buck II, S. 39 war O. ab 447/46 oligarchisch und reserviert gegenüber dem BB. Es war wohl ein Zentrum der anti-ligistischen Stimmung (contra Ismenias) und ein Anhänger der Partei des Leontiades.

431-404
Peloponnesischer Krieg

nach 429
Nach der Vernichtung Plataias durch die Spartaner (im Bündnis mit Theben) verliert O. gegenüber Theben an Boden (RE338)

427/426
Verwüstungen in O. durch ein schweres Erdbeben (Thuk. III 87,4) "In diese Zeit fallen auch die vielen Erdbeben in Athen, Euboia, Boiotien, namentlich im boiotischen Orchomenós."

424
Chaironeia gehört noch zu O.

424
Orchomenische Verbannte verhandeln zusammen mit thebanischen Flüchtlingen in Athen über Umsturz zur Demokratie Thuk. IV 76: "Chaironaia im Bezirk von Orchomenós, der alten Minyerstadt, wie sie hieß, die jetzt boiotisch ist, wollten andere Leute aus Orchomenós ihnen [den Athenern] zuspielen, auch die Verbannten aus Orchomenós waren höchst eifrig dabei, hatten sogar Mannschaft aus dem Peloponnes angeworben, ..."Der Plan wurde jedoch von einem Phoker an die Spataner verraten, die die Boiotier warnten. (Thuk. IV 89)

424
In der Schlacht gegen die Athener am Delion kämpfen auf Boiotischer Seite auch Orchomenier mit. (Thuk. IV 93)

4.-3. Jhdt.
Orchomenós Theater

um 395
O. stellt -zusammen mit Hyettos und Hysiai- 2 Boiotarchen und entsprechend für das Heer des BB´s 120 der insgesamt 660 Buleuten sowie 2000 Hopliten und 200 Reiter (RE347)

395-386
Korinthischer Krieg

395
Beim Ausbruch des sogen. Korinthischen Krieges schloß sich O. beim Einmmarsch der spartanischen Armee unter Lysander diesem sofort freiwillig an und verläßt damit den Boiotischen Bund. Denn dieser stellt sich auf Seite der Spartagegner (RE339) Der Grund für den Austritt wird durch Buck (II S. 37) damit erklärt, dass O. mit der thebanischen Politik (Ismenias) nicht einverstanden war, überhaupt und dann noch zur Erntrezeit durch orchomenisches Gebit ziehend Phokis anzugreifen. O. bleibt auch nach Niederlage und Tod Lysanders pro-spartanisch und behält bis 375 (wahrscheinlich noch länger) eine spartanische Garnison.

394
In der Schlacht bei Koroneia kämpfen orchomenische Hopliten neben Spartanern der orchomenischen Garnison gegen die Thebaner. Dabei rückten die Spartaner von orchomenischem Gebiet, die boiotischen Alliierten vom Helikon her an.

392
Bei den Friedensverhandlungen in Sardes war die Autonomie Orchomenós´ ausdrücklich eine der Bedingungen (RE339).

387/6
Königs- (=Antalkidas-) frieden. Die Westküste Kleinasiens wird Persien unterstellt, die griechischen Stadtstaaten erhalten Autonomie.

387
Nach dem Königsfrieden (Antalkidas-) unter der persichen und spartanischen Garantiemacht behält O. durch die Auflösung des BB seine Selbständigkeit. Wiederaufnahme der Münzprägungen (RE339).

377
Gründung des 2. Attischen Seebundes

375
Ein thebanischer Angriff auf O. schlägt fehl, denn immer noch besitzt es eine spartan. Garnison. Diese wird aber nach dem kurzen Frieden von 375 zurückgezogen.

zw. 374-371
wurden die nicht im BB befindlichen boiotischen Städte nacheinander zur Kapitulation gezwungen, zuletzt auch O. wahrscheinlich nach der Schlacht von Leuktra im späten Jahr 371. Buck II, S. 105: O. wurde nicht in die Liga aufgenommen, sondern als Verbündeter behandelt. Damit hatte es mindere Rechte. Der Grund dafür kann in der Entfernung zu Theben, dem Zentrum der Liga, gelegen haben oder schlicht darin, dass man den oligarchisch gesinnten Orchomeniern im demokratischen Theben weiterhin nicht traute.

371-362
Thebanische Hegemonie

370
Nach der Niederlage der Spartaner in der Schlacht von Leuktra wird O. Anfang 370 in den BB zurückgezwungen.

364
Erst nach Festigung der thebanischen Hegemonie wird der Beschluß gefasst und ausgeführt O. zu zerstören. Den Vorwand hierfür lieferte ein angeblicher Putschversuch thebanischer Exulanten, denen orchomenische Reiter ihre Unterstüzung zugesagt haben sollten. Die Bevölkerung wird getötet und vesklavt, aber einem Teil scheint die Flucht gelungen zu sein, u.a. auf die Insel Kos. Die Reste der Stadt wurden durch eine thebanische Besatzung gesichert.

353
O. wird durch Phoker besetzt, die es zusammen mit 3 anderen Plätzen bis zum Philokratesfrieden 346 BC halten konnten."Unter dem Schutz der Phoker sind vielleicht auch einige Überlebende der angestammten Bevölkerung nach O. zurückgekehrt.

346
Möglicherweise wurde O., das zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als ein phokischer Stützpunkt war, nach dem Philokratesfrieden durch Theben ein 2. Mal und endgültig zerstört.

338
Schlacht von Chaironeia

um 338
Wiederherstellung der Stadt und Rückführung überlebender Orchomeneten durch Phoker und Makedonen.

337-294
Führung des BB durch O. Einer der Hieromnemones des BB in Delphi kommt aus O. (RE342). Spätestens ab diesem Datum existiert O. also wieder und möglicherweise wurde damals mit dem Bau der Stadtmauer begonnen.

335
Alexander zerstört Theben und O. erhält für längere Zeit [wohl bis 294] Führung des Boiotischen Bundes.

330
Orchomenische Reiter nahmen am Alexanderzug teil und wurden mit den übrigen griechischen Kontingenten 330 in Ekbatana -darunter auch Reiter aus Thiespiai- entlassen (RE 342). Zur Reiterei: "Für Pferdezucht war besonders die fruchtbare Kephissos-Ebene südlich von Orchomenós geeignet, die daher Hippia hieß. Auch als Münzbild von O. erscheint das Pferd neben der Ähre." (Lauffer 493)

? 329
Krates von Chalkis versucht im Auftrag Alexanders die Kopais-Ebene wie in der Minyerzeit zu entwässern. Mäßiger Erfolg wegen Uneinigkeit der Umwohner. Auf dem bereits trocken gelegten Gebiet waren Ruinen zu Tage getreten, die man z.T. für Überreste des minyischen O. hielt (RE343).

329
Reiter aus O., die vom Perserfeldzug A´s zurückkehren, weihen dem Zeus Soter zum Dank ihrer Rückkehr einen Altar (IG VII 3206).

4.-3. Jhdt.
Theater von O. 1500 - 2000 Zuschauer. Ehren- und Weiheinschriften zum Charitenfest. Daher wohl Austragungsort des musischen Agons der Charitesia.

3. Jhdt.
Für O. gibt es nur noch inschriftliche Zeugnisse (RE343). Desolate finanzielle Lage der Stadt wird durch belegte Darlehensgeschäfte deutlich.

bis 294
Führung des BB noch durch O., denn Demetrios ließ die Kriegserklärung an den BB an den Boiotarchen von O. überbringen (RE343).

um 250
Spende der Bürger finanzieren Reparaturarbeiten am Dionysos-Tempel (RE344).

171-168
3. Makedonischer Krieg endet mit Sieg bei Pydna unter L. Aemilius Paulus, Ende der Antigoniden Dynastie.

86
Sulla schlägt Mithridates VI. bei O. Stadt wird geplündert. "Von den Verwüstungen dieses Krieges hat O. [es sich] offenbar nicht mehr erholt." (RE 346) [Für Ingrid: Sulla nahm den Orchomeniern eine Dionysosstatue des Myron weg, und stiftete sie dem Musenheiligtum auf dem Helikon (RE 345)]

48
Vor der Schlacht von Pharsalos tritt Orchomenós zusammen mit Theben und Delphi freiwillig auf die Seite Caesars über. Zu dieser Zeit war es aber wohl nur noch ein unbedeutendes Dorf (RE 346).

im 2. Jhdt. n.Chr.

Pausanias (VIII 33, 2) schildert O. als Beispiel für den Niedergang von Reichtum und Macht. "zu seiner Zeit war die Gemeinde so heruntergekommen, dass sie nicht einmal mehr das Vemögen eines mäßig begüterten Privsatmannes aufbringen konnte und durch Vorzeigen der Sehenswürdigkeiten wie des Schatzhauses des Minyas [...] ein kümmerliches Dasein fristete." (RE346)

873/74
>Byz. Statthalter von Theben erbaut in O. Klosterkirche der Panagia Theotókos.

11. Jhdt.
Dreikonchenkirche Haghios Sozon auf dem Hauptplatz von Skripú mit zahlreichen verbauten antiken Quadersteinen.

1200 [?]
teilweise Wiederbesiedlung des Stadtberges

1311
Ritterheer des Walter von Brienne (Athen) wird von katalanischen Söldnern vernichtet. Lokalisierung nicht gesichert.

1385
beherrschen die Katalanen von Lebadeia aus auch O.

1394
Türken unterwerfen Böotien

1829
D. Ypsilantis erzwingt Abzug der Türken durch Schlacht am Südufer des Kopaissees.

1883-1892
Französische und englische Ingenieure legen Kopaissee trocken.

(Peter Teuthorn)

   
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