Antikes Boiotien - Ancient Boiotia
home geschichte orte quellen & literatur glossar reise werkstatt vorträge & aufsätze impressum
 


Orchomenos


 

Das mykenische Kuppelgrab von Orchomenós, das sogenannte "Schatzhaus des Minyas"

Pausanias,
der Griechenland um die Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. bereiste, berichtet uns von seinem Besuch in Orchomenós: "Das Schatzhaus des Minyas, ein Wunderbau, der keinem anderen in Griechenland selbst oder anderswo nachsteht, ist folgendermaßen gebaut; es ist aus Stein hergestellt, rund in der Form und nach oben nicht sehr spitz zugehend; der oberste Stein soll dem ganzen Gebäude den Zusammenhang geben." (Paus. IX 38.3) Pausanias hatte das Grab also offensichtlich noch unversehrt angetroffen.

Grundriss Querschnitt Kuppelgrab

Den europäischen Reisenden, die Anfang des 19. Jahrhunderts Griechenland bereisten, diente es als eine wichtige Wegmarke nach Orchomenós. (Näheres in Grabungsgeschichte.)

Kurze Beschreibung des Kuppelgrabes
Das Kuppelgrab hat etwa einen Durchmesser von 14 m und die gleiche Innenhöhe. Damit stimmt es verblüffend genau mit dem "Schatzhaus des Atreus" in Mykenai überein. Zum Zeitpunkt der Ausgrabung waren noch acht Schichten der Ringsteine vollständig in situ erhalten. Der Eingang beeindruckt mit dem gewaltigen tonnenschweren Block des Türsturzes über der 5,75 m hohen Eingangstür.

Eine Besonderheit stellt die rechts aus dem Innenraum heraus zugängliche Grabkammer dar, wie sie nur noch aus Mykenai bekannt ist. Gegenüber Mykenai besteht ihre Einzigartigkeit in der Decke der Grabkammer und deren mit Spiralmustern, Palm- oder Papyros-Büscheln und einem doppelten Rosettenfries geschmückten skulptierten Platte. (Genaue Abmessungen in Beschreibung des Kuppelgrabes durch Ernst Meyer nach Schliemann; eigene Beobachtungen 08/2000)

Vergleich mit anderen Kuppelgräbern der mykenischen Kultur
Mit Kuppelgräbern erreicht die mykenische Begräbniskultur gegen Ende des 16. Jahrhunderts einen Höhepunkt. Vorher war die Bestattung in Schachtgräbern üblich, die bei jeder Nachbestattung jeweils von oben geöffnet und wieder zugeschüttet werden mußten, bis dann im Verlauf des 16. Jahrhunderts der Übergang zum in den Felsen getriebenen Kammergrab mit langem schmalen Zugang (Dromos) erfolgte. Dessen Tor wurde nach jeder Beisetzung mit großen schweren Steinen verschlossen. Aus diesem Felskammergrab hat sich in Mykenai bereits gegen Ende des 16. Jahrhunderts mit den Kuppelgräbern eine der großartigsten Formen mykenischer Architektur herausgebildet [1]. Den Höhepunkt bildet das sogen. "Schatzhaus des Atreus" in Mykenai [2]. Es ist mit einem Durchmesser von 14,50 m und einer Kuppelhöhe von 13,80 m auch das monumentalste.
Das Kuppelgrab von Orchomenós kommt seinem mykenischen Vorbild nahe und übertrifft es in der Qualität der nur hier sich wiederholenden seitlichen Grabkammer . In den anderen Grabbauten sind Gruben im Fußboden des Kuppelraumes oder des Dromos üblich [3]. Nur in zwei Kuppelgräbern, denen von Vaphio und Dendra, sind unversehrte Bestattungen erhalten. Sie geben uns mit ihren reichen Waffen- und Schmuckfunden einen Eindruck von der überaus kostbaren Ausstattung mykenischer Krieger und Könige anfangs des 15. Jahrhunderts.[4]

Zu den Abbildungen

Foto Bulle 1907
(Abb. 3)
Kuppelgrab von Orchomenós, Eingang zur Grabkammer
(Abb. 15)
Kuppelgrab von Orchomenós, Decke der Grabkammer, Auschnitt
(Abb. 5)
Kuppelgrab von Orchomenós, Muster in der Decke der Grabkammer, Auschnitt (Abb. 5a)
 
Dromos des Atreus- grabes in Mykene
(Abb. 6)
Kuppelgrab, Eingang von innen gesehen (Abb. 4) Kuppel des Ateusgrabes in Mykene (Abb. 7)  

 

(Peter Teuthorn)

______________

1) Karo: Mykenische Kultur, in RE Suppl. VI (1935), Sp. 584-615, Sp. 587-593.
2) ebd. Sp. 589-590:
Nur Bezug auf die Wölbungstechnik sind die Bauten von Kokovatos und Bodià weiter fortgeschritten. Dort "scheint sich der Mauerbau schon einer wirklichen Kuppel genähert zu haben, indem die Blöcke nach innen leicht geneigt verlegt waren [...]".
3) ebd. Sp. 589.
4) ebd. Sp. 590.

   
antikesboiotien.uni-muenchen.de - vorläufiger kontakt: boiotien@teu-net.de