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Orchomenos


 

Besuch in Orchomenós Sommer 2000

Inhalt Reisetagebuch (Di. 29. - Do. 31. August)

1. Zufahrtswege nach Orchomenós
2. Akontion mit Gipfelkastell
3. Charitenquelle
4. Kirche von Skripoú (27.8.2000)
5. Kuppelgrab (31.8.2000)
6. Naos tou Aghiou Zózontou (31.8.2000)

7. Orchomenós-Funde im Museum Theben
8. Wirken minyischer Herrscher über Orchomenós hinaus

1. Zufahrtswege nach Orchomenós

Es gibt mehrere Zufahrtswege nach Orchomenós. 3 habe ich ausprobiert:

  • Vom Ethnikós Odós Athen - Delphi bei Lebadia in Richtung Norden auf den Ethnikós Odós nach Lamia abbiegen und bereits nach wenigen hundert Metern (Wegweiser) die Straße nach Orchomenós nehmen. Auf halbem Weg links bei einer BP-Tankkstelle guter Ausblick auf den Akontion (West-Ost-Profil). Man betritt Orchomenós im Ortsteil Skripoú und sieht sehr bald rechts der Straße die Plateia Athamántos (Plateia Aqamantoj). Dort befindet sich die Kirche des Aghios Zózontas / Naos tou Aghiou Zózontou (Naos tou Agiou Zw/zontou). Geradeaus führt die Straße nahezu zwangsläufig zum Archeologischen Gelände, rechts die für ein orthodoxes Kirchengrundstück in Griechenland typischen geweißten Mauern und alten Zypressen, links großzügig Platten belegter Eingangsbereich zum Kuppelgrab, anschließend Theater, Auffahrt zur Siedlung am Fuße des Burgbergs und Zugang zum Quellenbereich.

  • Dieser Weg führt über den historischen Diagonaldamm am Westrand der Kopais nach Orchomenós. Auf dem Ethnikós Odós von Aliártos kommend biegt man beim Ort Petra gleich rechts (leicht übersehbar!) in eine breite Asphaltstraße ohne Richtungsbezeichnung ein, wie es im übrigen bei allen vorwiegend landwirtschaftlich genutzten Straßen/Wegen der Fall ist. Nach Überquerung der Bahnlinie und des Kephissós geht es bei einer T-Gabelung nach links. Man ist nach kurzem auf dem Diagonaldamm SO/NW, anfangs in Form einer Allee mit sehr alten Bäumen. Dann ist im weiteren Verlauf das hellenistische Burgkastell ein markanter Wegweiser. Man betritt Orchomenós wie unter 1.

  • Wenn man am Nordrand der Kopais über die Straße von Kastro bzw. Akraifnion (Akraifnion) nach Orchomenós hineinkommt, kann man sich schon von ferne an dem Gipfellkastell orientieren, auf das man schnurgerade zuhält. In Orchomenós selbst führt, nachdem man sich rechts haltend den Ortsteil Petromagoula betreten hat, ein archäologisches Hinweisschild (Archaiologikós Hóros) weiter in dieselbe Richtung, bis man sich - kurz bevor es vor einer Querstraße nicht mehr weiter geradeaus geht- bereits rechts (nördlich) neben der Klosterkirche bzw. dem Monh/ Koimi/sewj Qeoto/kou Skripou/j befindet.
    Hier kann man das Auto im Schatten stehen lassen und Kirche, Kuppelgrab, Theater, Quelle und die unteren Teile des Burgbergs erkunden. Ggf. kann man aber auch bis zur Tempelterrasse hinauffahren.

2. Akontion mit Gipfelkastell
Rechts vom Theater kann man einem Hinweisschild folgend bis zu einer Terasse oberhalb der letzten Häuser/Hütten der sich den Hang hinauf ziehenden Siedlung fahren. Dabei muß man darauf achten, sich immer rechts der Siedlung zu halten. Oben kann man sein Auto neben einem bescheidenen Anwesen zwischen dort lagerndem Schrott und Müll abstellen.

Dort finden sich Teile der steinernen Grundmauern eines Tempels, offensichtlich noch in ihrer ursprünglichen Anordnung. Westlich kurz darüber auf einer etwa 10-15 m höheren Terrasse sind andeutungsweise weitere, allerdings sehr dürftige Fundamentspuren erkennbar. Beide Plätze sind der vollen Sonne ausgesetzt, allerdings schließt sich nördlich der Pinienhain an, der sich den Nordhang des Akontion bis zur Charitenquelle hinab zieht. Möglicherweise handelt es sich bei den unteren Überresten um den Asklepiontempel.

Von diesem Plateau steige ich zwischen 18 und 19:30 zum Gipfelkastell hinauf und kann aufgrund der knappen Zeit natürlich nur oberflächliche Eindrücke sammeln. Wenn man nach links einem Weg folgt, an dem entlang einige Bienenkästen aufgestellt sind, und sich dann weiter linkshaltend gipfelwärts bewegt, also erst ab einer gewissen Höhe beginnt regelmäßiges Mauerwerk.

Direkt über dem Felsen ist noch polygonales Mauerwerk zu erkennen, dann beginnen bald regelmäßige Schichten. Ihre Höhe variiert zwischen 2,5 bis 4 Fingerspannen (Fingerspanne ca. 19cm). Der größte Block (Photo) hat etwas mehr als 4 Spannen, also ca. 85-90 cm. An dieser Südmauer sind meist nur die Außenmauern erhalten. Im weiteren Verlauf, dort, wo im oberen Teil Süd- und Nordmauer eng parallel verlaufen und die Verbindung zwischen Kastell und Unterstadt sichern, ist an der Innenseite der Nordmauer die Ausmauerung mit deutlich kleineren, unregelmäßigen Steinen gut erkennbar.

Das Kastell auf dem fast quaderförmigen mächtigen Felssockel ist mit seinen erhaltenen hellenistischen Mauern wirklich beeindruckend. Erst hier vor Ort verstehe ich auch, was die Treppe (s. Frazer) bedeutet. S i e erst ermöglicht den steilen Anstieg von der Terrasse, auf der der Felsklotz aufragt, auf die obere Plattform dieses Felsens, die die natürliche Basis für die jeweils direkt am Abgrund errichteten Mauern des Kastells bildet. - Ich habe, wie sicher andere auch, der Versuchung nicht widerstehen können, die Stufen der steilen Treppe zu zählen. Mir ist jetzt klar, weshalb Frazer und Kollegen so beiläufig erwähnen, sie hätten die Stufen nicht gezählt. Diese sind nämlich im unteren Teil noch sehr unregelmäßig und wechseln dann in kleinen Winkelabständen jeweils die Richtung. Von der Stelle an, wo eine gewisse Regelmäßigkeit eintritt, sind es bis oben ca. 65-70 Stufen, darunter sicherlich noch einmal etwa 20. Besonders im oberen Bereich sind sie sehr regelmäßig aus dem Fels heraus gehauen und eigentlich überhaupt nicht abgetreten, offensichtlich auch nicht zu häufig und vor allem wohl auch von keinen großen Menschenmengen benutzt. Als ich auf einer der letzten Stufen eine eingemeißelte Inschrift entziffern will, entpuppt sie sich allerdings als die eines Touristen (GEORGIOS PAPAGIORGIOU), der 1967 den Platz besuchte. Er muß wohl Steinmetz gewesen sein.

Oben angekommen kam die Sonne gegen 19 Uhr noch einmal kurz hinter einer schwarzen Wolke hervor und ermöglichte mir einige fotografische Schnellschüsse vom westlichen Mauerwerk und auch der nicht recht verstehbaren doppelten Südmauer mit quer gefügten Steinquadern. (Was sagt Frazer dazu?). Erhalten sind nur diese südliche Doppelmauer und die Westmauer; beide in beeindruckender Höhe.

Wenn man von oben Richtung Orchomenós hinunter schaut, kann man an der linken Mauer gut drei Turmfundamente erkennen.

3. Charitenquelle
Mit EU-Mitteln wird um die Chariten-Quelle herum ein "Erholungs-/ Naturpark" gebaut (FYSIKO PARKO PIGES CARITWN). Nach einem Orientierungsplan an der Plateia Heroon soll dieser Park nahezu das ganze Gelände des nördlichen Akontion umfassen. Direkte Quellen sind allerdings nicht einzusehen, denn das Wasser kommt aus einem Pumpenhaus. Das was die heutigen Griechen besonders gut können, ist wohl im wesentlichen bereits fertig, nämlich Promenadenwege aus örtlichem bzw. levadischem Marmor. Die nächste Aufgabe, den Platz ansprechend sauber zu halten, wird wohl schwieriger und dann auch nur mit dauerhaftem Personaleinsatz zu erreichen sein. Die ganze Umgebung einschließlich der weiter westlich folgenden Fischgewässer macht leider den üblichen verwahrlosten Eindruck.
Positiv ist, daß an dieser Stelle und bis zum Tempelplateau hinauf noch ein recht ordentlicher und dichter Pinienhain vorhanden ist.

4. Kirche von Skripoú (27.8.2000)
Lt. Aussage der Schließerin ereignete sich das Feuer, auf das ich schon in der email-Korrespondenz mit dem Griech. Kultusministerium hingewiesen wurde, im Jahr 1995 und war wahrscheinlich Brandstiftung. Vor der Renovierung hätten die Archäologen umfangreiche Untersuchungen angestellt. Das bedeutet für mich, daß möglicherweise auch Grabungen unter dem Kirchenboden stattgefunden haben, die Bulle seinerzeit nicht gemacht hatte. Hierzu zu Hause sofort email machen. Die Restaurierungsarbeiten werden wohl nicht vor 2 Jahren abgeschlossen sein.

Die Kirche ist eingerüstet, die Restaurierungsarbeiten bereits fortgeschritten. Dabei hat man in der Eingangshalle das bisher zugemauerte nördliche Seitenfenster wieder geöffnet, [das ist neu und in der Literatur bisher noch nicht erwähnt!] so daß nun beide Seiten eine Lichtöffnung haben.

Für die geplante Exkursion wäre es sinnvoll, mit dem Ephorat Kontakt aufzunehmen, und möglicherweise durch das Restaurationsteam vor Ort eine Führung/Erläuterung zu erhalten.

Die wahrscheinlich aus dem Charitentempel stammenden Säulentrommeln sind übrigens offensichtlich nach einem systematischen Programm an den Seitenschiffen und der Vorderfront der Eingangshalle eingebaut worden. Es sind schätzungsweise insgesamt um die 60 Säulensegmente.
Photos von den Widmungsinschriften gemacht.

5. Kuppelgrab (31.8.2000)

Der archäologische Platz ist vollständig durch eine über mannshohe Mauer umschlossen und damit vor ungewolltem Zutritt gesichert. Das offizielle Öffnungszeiten-Schild am Eingang enthält keine aktuellen Angaben. Öffnungszeiten sind jedoch lt. Auskunft des Wächters: außer montags immer von 8:30 bis 15:00, und zwar im Sommer wie im Winter. Der Eintritt ist frei.

  • Der Zustand des Kuppelgrabes ist außerordentlich gut und entspricht damit im wesentlichen noch den aus der Literatur entnommenen Informationen. Im Bereich des ehemaligen Dromos findet sich eine Art Lapidarium das vor allem auch Dreifußbasen umfaßt, die teils noch Sockelinschriften tragen.

  • Die Grabkammer hat eine moderne Ausmauerung der früher eingestürzten Wände um die Grundplatte herum. An der Stirnseite befindet sich ein moderner Inschriftenstein, mit dem Vermerk: "ANESTHLWOH EN ETEI 1914". Feuchtigkeitsspuren.

  • Die Decke der Grabkammer ist für mich immer noch schwer verstehbar. Das Muster ist noch sehr gut erhalten (allerdings an einigen Stellen Feuchtigkkeitsspuren). Es ist eine Art Stucküberzug, der an einigen Stellen bereits bröckelig wird, und ja wohl mit Kupferblech überzogen war. Wo befinden sich diese Reste und jene Rosetten, die an der Tür angebracht waren. Widersprüche zu den aus der Literatur entnommenen Informationen

  • Sehr beeindruckend ist die Wölbung, die im Bereich der von dem schweren Monolithen nach oben abgeschlossenen Eingangstür noch besonders gut erkennbar ist.

  • Bedauerlich ist, daß es keine Erklärungs-Tafel gibt. Auch gibt es beim Wächter nicht einmal das Faltblatt über Orchomenós, das ich im Museum von Theben bekam.

6. Naos tou Aghiou Zózontou (31.8.2000)
Auf der Plateia Athamántos, dem Hauptplatz von Skripoú steht die sehr kleine Drei-Konchen-Kirche aus dem 11. Jahrhundert (mittelbyzantinisch). Sie ist also drei Jahrhunderte später als die Klosterkirche entstanden. Aber auch in ihr sind in großem Umfang antike Bauelemente, vor allem Quadersteine verbaut, so daß man den schon bei der Klosterkirche erwähnten Umgang mit Bauteilen antiker Bauten auch hier besonders gut studieren kann.

7. Orchomenós-Funde im Museum Theben
In Saal B / Vitrine 1 sind Funde ausgestellt, die Theodoros Spyropoulos in den Jahren 1970-72 in Orchomenós machte, und zwar aus einer Nekropole am Fuße des Akontion mit Kammergräbern des 16. Jahrhunderts v. Chr. und aus einer Wachstation (nach Meinung von Spyropoulos) gegenüber dem myk. Palast. Leider keine Abbildungen. Bedeutendstes Stück ist eine Bronzenadel mit Bergkkristallkopf, wie sie in den Königsgräbern von Mykene gefunden wurden.

8. Wirken minyischer Herrscher über Orchomenós hinaus [Querverbindung zu mythische Könige]
Die minyischen Könige waren in ihrem Aktionsradius nicht nur auf Orchomenós beschränkt. So soll Phlegyas auf einem Eroberungszug nach Epidauros gekommen sein. Für diesen Ort hatte die Tatsache, daß ihn dabei seine Tochter Koronis begleitete, bedeutende Auswirkungen. Denn ihre Reize ließen Apoll nicht kalt. Es kommt was kommen muß. Der Gott verführt das attraktive Menschenkind, in dessen Adern, wie wir ja aufgrund früherer olympischer Seitensprünge wissen, göttliches Blut fließt. Wichtig ist in diesem Fall nur eins, das Produkt. Ein neuer Gott war geboren, Asklepios, der Gott der Heilkunst. Die medizinischen Kenntnisse, nämlich die geheimen Kräfte wilder Heilkräuter, hatte ihm sein von Apoll engagierter Erzieher, der Kentaur Chiron, vermittelt. Das Asklepios-Heiligtum von Epidauros wurde zur bedeutendsten Heilstätte für diesen Gott. (Quelle Guide bleue, S. 457.)

(Peter Teuthorn)


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