Antikes Boiotien - Ancient Boiotia
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Orchomenos


 

Rivalität Orchomenós - Theben bis zum Ende der mykenische Zeit

Das mykenische Griechenland muß nach Hiller [1] ein loser Verband von Fürstentümern gleicher Sprache, Kultur sowie Wirtschafts- und Gesellschaftsstruktur gewesen sein. Was die Sprache betrifft, könne aus der Gleichartigkeit von Textformeln in der Buchführung auf den Linear-B-Täfelchen auf eine einheitlichen Verwaltungssprache in den Palästen geschlossen werden. Möglicherweise hatten einige Palastzentren aufgrund ihrer Wirtschaftskraft anderen gegenüber eine Führungsrolle.

In Boiotien könnten die Palastzentren von Orchomenós und Theben früh im Wettstreit gestanden haben. Beide haben gleichzeitig existierende, archäologisch gesicherte Paläste mit reicher Freskenausstattung.

Die thebanische Palastanlage ist besser bezeugt und hat wohl die größere Flächenausdehnung. Wirtschaftlich scheine Theben den Vorrang gehabt zu haben. Es sind eine hochentwickelte Palastverwaltung und weitreichende wirtschaftliche Außenbeziehungen nachgewiesen. Ein Fund von etwa 40 beschrifteten Bügelkannen aus der Mitte des 13. Jhdts. in Theben weist nach Kreta. Es scheine berechtigt, auch auf eine politische Vormachtstellung zu schließen.

Jedoch sei die fürstliche Repräsentanz, die sich vor allem in dem monumentalen Kuppelgrab darstellt, in Orchomenós überlegen. Da es möglicherweise von derselben Bauhütte wie in Mykenai errichtet worden sei, setze dies gute Beziehungen zu den dortigen Herrschern voraus. In der frühmykenischen Zeit sei Orchomenós wohl das wohlhabendere und bedeutendere Zentrum gewesen. Darauf deuteten u.a. auch Aufwand und Abmessungen seiner Nekropole in der Nähe des Palastareals hin (frühmykenische Aristokratengrüfte).

Auch das Deichsystem der Kopais und die zu dessen Schutz angelegten Burgen (z.B. Gla) weisen auf eine frühe Machtkonsolidierung von Orchomenós hin. Es galt auch in der Antike unstrittig als des Werk der orchomenischen Minyer. Orchomenier = Minyer und Thebaner = Kadmeier waren als unterschiedliche Stämme im allgemeinen Bewußtsein, wie es auch bereits der homerische Schiffskatalog als selbstverständlich ansieht. Nur eine das ganze Kopais-Gebiet dominierende Macht konnte die Deichbauten und das Wassersystems errichten, unterhalten und sichern.

Für das 13. Jahrhundert (kurz vor der Zerstörung der mykenischen Paläste 1250-1200) sei von einem immer noch autonomen Orchomenós und einem kulturell-ökonomisch, dann wohl auch politisch dominierenden Theben auszugehen.

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1) Dieser Artikel folgt weitgehend – auch in wörtlichen Zitaten – dem Aufsatz von Stefan Hiller: Die Stellung Böotiens im mykenischen Staatenverband, in Hartmut Beister / John Buckler, Hrsg.: Boiotika, Vorträge zum 5. Internationalen Böotien-Kolloquium zu Ehren von Professor Dr. Siegfried Lauffer, Institut für Alte Geschichte LMU 13.-17. Juni 1986, München 1989, S. 51-64.

   
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