Antikes Boiotien - Ancient Boiotia
home geschichte orte quellen & literatur glossar reise werkstatt vorträge & aufsätze impressum
 


Orchomenos


 


Die frühhelladische Keramik ("Urfirnis") von Orchomenós

Umfangreiche Schichtgrabungen Bulles in den Jahren 1903 und 1905 haben reiche Keramikfunde zu Tage gefördert. Die Funde aus dem Neolithikum und dem Frühhelladikum wurden von Emil Kunze dokumentiert und interpretiert [1]. Daraus ergibt sich, daß Orchomenós bereits seit dem Neolithikum besiedelt war und diese Epoche um etwa 2500 v. Chr. mit einer radikalen Zerstörung endete. Die hier beschriebene anschließende frühhelladische Epoche (frühe Bronzezeit) dauerte gute 500 Jahre, bis etwa um 2000 v. Chr. auch ihre Kultur gewaltsam zerstört und ihre Bevölkerung von den einwandernden Griechen unterworfen wurde.

Die vorgeschichtliche Bevölkerung der frühhelladischen Zeit hat uns mit der sogenannten Orchomenós-Ware ein eindrucksvolles Zeugnis ihrer Kultur hinterlassen. Zwar könnte ihre Keramik oberflächlich betrachtet gegenüber der ornamentalen Vielfalt der Vorgängerkultur zunächst ärmlich erscheinen, aber ihr großer Formenreichtum und die handwerkliche Vollendung sind bewunderungswürdig.

Formenvielfalt
Besonders die einmaligen Formen der Hydrien (Wassergefäße), der Kannen mit den Varianten der Askos- und der Trompetenkanne und der Saucièren prägen sich als etwas ganz Besonderes ein. Humpen, Kratere, Näpfe und Schalen (mit hohem Hals oder ausgeprägtem Fuß), Askosbecher und Schüsseln (mit eingezogenem Rand oder breiter Lippe) vervollständigen den Formenreichtum.

Prototypische Formen von Hydria, Askoskannen, TrompetenkanneAbb. 8a-d)

Die bäuerliche Bevölkerung, die diese Töpferwaren schuf, lebte in dörflichen Siedlungen mit ausgesprochen primitiven Wohnhäusern (Rundbauten). Sie trieb regen Handel mit den Kykladen. Nach der gewaltsamen Zerstörungen ihrer Siedlungen um 2000 ist manche ihrer Gefäßformen in die folgende Zeit (Die minysche Keramik) übergegangen.

Handwerkliche Qualität der Orchomenós-Ware
Die besten Stücke aus den frühen und mittleren Schichten bestehen aus einem dichten, klingend hart gebrannten Ton, dessen Eigenschaften auf einer niedrigen Ofentemperatur und auf einer besonderen Tonsorte oder -mischung beruhen. Sie zeichnen sich durch ziemlich dünne Gefäßwandungen und eine "wunderbar feste, gleichmäßig aufgetragene Glasur aus, der ein intensiver, fast metallischer Glanz eigen ist". Ihre Farbskala reicht von dunklem Rot, über Violett, Rotbraun, leuchtendes Gelb bis zu dunklem Olivgrün; eine ausgesprochene Vorliebe besteht für "ein reines, tiefes, bläuliches Schwarz". Die Ausgräber fanden dafür den Ausdruck "Urfirnis". Die Leuchtkraft der Keramik wurde in erster Linie durch sorgfältige Politur erreicht. [2]

Leider sind die Funde im Museum von Chaironeia zur Zeit nicht zugänglich. Ein Gutes Beispiel für eine Askoskanne findet sich aber im Museum von Theben.


Askoskanne, frühhelladisch -Museum Theben, Vitrine 9 (Abb. 19)

[Zu einem späteren Zeitpunkt soll versucht werden, jeweils ein typisches Exemplar einer Hydria, Askoskanne, Trompetenkanne und Saucière zu lokalisieren und sie über Museumslinks oder Photos anschaulich zu machen.]

Dokumentation der Funde durch Emil Kunze
Die Funde aus der Grabung Bulles von 1905 konnte erst 1934 von Emil Kunze –unterstützt durch eine eigene Nachgrabung- dokumentiert und interpretiert werden. Von den vorgestellten Fundbeispielen befanden sich 1934 (Zeitpunkt der Dokumentation) etwa 80 % im Museum von Chaironeia, die übrigen im Nationalmuseum Athen. Die entsprechenden Inventarnummern dieser Museen sind bei Kunze vermerkt.

Siehe auch Anmerkungen zur systematischen Einteilung und wissenschaftlichen Aufarbeitung der Keramik von Orchomenós.

(Peter Teuthorn)

_______________

1) Kunze, Emil: Orchomenos III, Die Keramik der frühen Bronzezeit, München 1934.
2) ebd. S. 16-17.

   
antikesboiotien.uni-muenchen.de - vorläufiger kontakt: boiotien@teu-net.de