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Kopais
Deichbauten
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Großer minyischer Kanal
Mehrzwecksystem und größte Wasserbauanlage Europas zu dieser Zeit
(Späthelladikum lll A, B, 1550 - 1200 v. Chr.).
Nach einer großen Flutkatastrophe gegen 1550 v. Chr. stieg das Wasser im
Kopaissee vorübergehend um 1 m bis zur Höhe von 96 m an. Dadurch wurden
vermutlich Siedlungen am Westufer überschwemmt und nicht hoch genug
eingedeichte Polderflächen ertranken (1). Anschließend wurde der planmäßige
Schutz vor Hochwassern in der Kopais begonnen. Im System der Wasserbauten
lassen sich zwei Hauptziele erkennen:
Maßnahmen zur Hochwasserableitung
und Entwässerung zur Steuerung der jährlichen Seebildung.
Neueinrichtung von Poldern
zur Landgewinnung für den Ackerbau. Eine Messung der vorkommenden
Pollenarten in einer Baugrube von 1984 bei der Bucht von Akraiphia
zeigt für die Zeit nach 1500 einen sprunghaften Anstieg der Pollen
für Moose und Sauergräser, ein Zeichen, daß die Maßnahmen der Minyer
zur periodischen Trockenlegung dieses Ufergebietes führten. Der ebenfalls
gemessene starke Anstieg von Olivenpollen zeigt eine Intensivierung
der Landwirtschaft, sowie der Rückgang der Gräserpollen eine Zunahme
des Ackerbaus bedeutet (2).

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Die Bauzeit dürfte laut Knauss maximal 2 Generationen, also etwa 50 Jahre lang gedauert
haben (3). Die schwierige Vermessung des relativ ebenen Geländes könnte
mithilfe des Seehochwassers erfolgt sein (4). Dabei diente der winterliche
Seespiegel als Horizontallinie, bzw. als Bezugshorizont für zu errichtende
Dammkronen und Kanalsolen. Sie wurden durch Vermessung festgelegt.
Hochwasserableitung durch Kanäle im Norden der Kopais.
Der große minyische Kanal ist für diese Zeit in
Europa einzigartig in seiner Größe und ausgefeilten Konstruktion. Die
Länge des großen Kanals betrug 25 km, seine Breite 40 m, die Tiefe 2-3
m. 2 m hohe und mit Steinmauernin kyklopischer Bauweise eingefaßte Erddämme
und eine bepflasterte Trasse verliefen an seiner Seite. Sein Fließgefälle
betrug 0,1 %, das sind 1 m Höhenunterschied auf 10 km. Der Bau erfolgte
im Trockenen auf dem etwas höheren Beckenrand. Ziel war die direkte
Zuführung des Wassers zu den Katawothren aufmöglichst
kurzem Wegund ohne Höhenverlust durch das Geländeprofil. Deshalb wurde
der Inselberg von Turloiannis rückwärtig umfahren, sowie die Inselbrücken
von Strowikion und Kastron durchbrochen. Der Verlauf dieses Kanals paßte
sich sehr stark dem Gelände
an, teilweise verlief er direkt neben dem Gebirgsrand. 2,5 km nordöstlich
von Orchomenos wurde der Kephissos in den Kanal verlegt. Damit der Stadtbereich
von Orchomenos geschützt blieb, wurde das Ufer befestigt, so daß der
Fluß in seinem Bett fixiert wurde (6). Durch eine Überlaufeinrichtung
westlich von Orchomenos, sowie einer weiteren südlich von Aspledon wurden
die Katawothren bei größeren Hochwassern entlastet und das System gesteuert
(7).
Reste des zum Deichbau verwendeten Humus, sowie des weiße Seeton
sind auch heute noch in der Kopais auf den Feldern zu sehen. Auf Luftbildern
lassen sich die Verläufe der Deiche auf diese Weise besser - oder überhaupt
noch - nachvollziehen, da durch die intensive Landwirtschaft im Gebiet
zunehmend Baureste eingeebnet werden und für immer verschwinden. Die
unnatürliche Bodenverfärbung bleibt dagegen noch lange Zeit sichtbar. Steinfunde im Boden sind allgemein immer eindeutig
Beleg für Bauten, da im Schwemmlandgebiet des Kopaissees normalerweise
nur feinkörnige Sedimente vorkommen (8).
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Der Kanal hatte für die Bewohner der Kopais mehrere Funktionen:
a) Hochwasserabführung
b) Brauchwasser (Siedlungen und Ackerbau)
c) Schiffahrt und Transportwege auf den Dämmen
Eine Möglichkeit für einen kurzzeitigen Rückhalt von Überschußwasser
in sogenannten Retensionsräumen wurden bei den großen Katawothren in
der Nordostbucht geschaffen. Ein künstlicher See bei den Melasquellen,
der 1 - 1,5 m über dem Kopaissee lag, diente laut Knauss als Speicher
zur Bewässerung, vor allem aber der Auffüllung des Kanals bei Trockenzeiten,
um den Schiffsverkehr zu erhalten. Reste davon waren wohl noch in der
Antike erhalten. Unter diesem Aspekt ist eine Textstelle bei Plutarch,
der andere Arm des Melas verbreite sich in schwer befahrbare Seen und
Sümpfe (9) als Hinweis auf Reste des Melassees zu verstehen. Ein weiterer
Beleg dafür ist die Aussage Plutarchs, ein Arm des Melas sei gleich
von seiner Quelle an schiffbar (10).
Vom Winterhochwasser wurden vermutlich 50 % sofort abgeleitet, das
sind ca. 275 von 550 Mio. kbm Wasser, die durch den großen Kanal in
die große Katawothre flossen. Vom Zufluß im Sommer, das sind 150 Mio.
kbm Wasser, ist nichts mehr in den See gelangt. Dieser trocknete im
Verlauf des Sommers unter normalen Hochwasserbedingungen vollständig
aus. Ein Beleg dafür ist eine Nachricht bei Strabon, der berichtet,
daß man erzähle, der Kopaissee sei früher einmal trockengelegt worden
und landwirtschaftlich genutzt worden (11). Im Hochsommer diente der
ausgetrockneter Seegrund vermutlich als Weideland (12).
Als Folge dieser sommerlichen Austrocknung und dem starken Wechsel
zwischen feuchten und trockenen Perioden wurde der Prozeß der Moor-
und Torfbildung
in Gang gesetzt. Langfristig führte es dazu, daß der Seeboden bei einer
Zuwachsrate von 0,3 mm pro Jahr in 3000 Jahren um 3 m anstieg. Der Kopaissee
hatte demzufolge im 19. Jahrhundert eine viel größere Ausdehnung erreicht.
Ausbau der Polder nach Inbetriebnahme des Kanals
Möglicherweise gab es auch schon Vorläufer der Römerdämme aus dem 2.
Jhd. n. Chr (12a). Ihr Alter ist jedoch nicht näher zu bestimmen. Die
alten Siedlungsplätze am Westufer, z. B. an der Herkynaniederung beim
heutigen Xinia, waren laUT Knauss wieder bewohnt. Da der westlich von
Orchomenos überlaufende Teil des Kephissos bei Hochwasser seinen Weg
über die Herkynaniederung in den See nahm, mußte man die Orte notwendigerweise
durch Dämme vor extremeren Hochwassern schützen (13).
Die Wasserversorgung für die Festung Gla sowie der umliegenden Polder
wurde im Zuge dieser Bauten verbessert. Ein parallel geführter Kanal,
mit etwas geringerer Breite von nur 30 m zweigt 1,5 km westlich von
Kastron ab. Er wird als Ausleitungsbauwerk aus dem großen Kanal beschrieben.
Am sogenannten Marina Pyrgos erfolgte eine spitzwinkelige Umleitung
in Richtung Gla, an der Festung vorbei weiter in Richtung der Katawothre
an der Philia. An dieser Unterteilungsstelle war im 19. Jahrhundert
noch eine antike Brücke zu sehen, die von Knauss als Reste eines alten
Brückenwehrs interpretiert wird. Der Zweck dieses Kanals war vermutlich
eine verbesserte Trink- und Brauchwasserversorgung für Gla, die Beässerung
der umliegenden Felder, aber auch die Erschließung der bisher nicht
erfaßten Katawothre zur Hochwasserableitung. Zudem wird er für die Festung
Gla einen Anschluß an das Binnenschiffahrtsystem bedeutet haben (14).
Diese Baumaßnahme steht parallel zu einer Ausbauphase in der Burg in
SH lll B1 (15).
©Christina Dieckhoff 2001
__________________________
(1): Knauss, Kopais 2, S. 106-07.
(2): Knauss, J.: Zur Datierung der Deukalionischen Flut in der Kopais,
S. 23.
(3): Knauss, Die Wasserbauten der Minyer in der Kopais, München 1984,
S. 188 - 89. Knauss, J.: Wasserbaukultur der Minyer, S. 72.
(4): Knauss, Wasserbaukultur, S. 272.
(5): Knauss, Kopais 2, S. 108.
(6): Knauss, Kopais 2, S. 109.
(7): Knauss, Kopais 2, S. 270f.
(8): Plutarch, Pelop., 16 und Theophrast, hist. plant. 4,10,1
(9): Knauss, Kopais 2, S. 100.
(10): Plutarch, Sulla, 20.
(11): Strabon, 2,9,40
(12): Knauss, Kopais 2, S. 111.
(12 a): In hadrianischen Inschriften zu den Dammbauten werden Vorläuferbauten
ausdrücklich erwähnt. Siehe dazu Fossey, J. M.: The Cityarchive
at Coroneia. In: Epigraphica Boeotica 1, Amsterdam 1991, S. 5.
Weitere Publikationen der Inschriften: Argoud, Gilbert: Inscriptions
de Boèotie relatives à l´eau. In: Boeotia Antiqua III, Amsterdam
1993, S. 48 - 55. Olivier, J. H.: Greek Constitutions of Early Roman
Emperors from Inscriptions and Papyri, Philadelphia 1989, S. 253 - 73,
Inschrift Nr. 108, 110 und 112.
(13): Knauss, Kopais 2, S. 112.
(14): Knauss, Kopais 2, S. 113f.
(15): Hope-Simpson, A Gazetteer and Atlas of Mycenean Sites, S. 116.
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