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Kopais
Deichbauten
Geographie
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Deichbauten der Kopais
1. Klima und Siedlungsgeschichte
2. Deichbauten
2.1. Bauphasen
2.1.1. Erste Eindeichungen von Buchten
2.1.2. Großer Minyischer Kanal
2.1.3. Zwei Durchtunnelungsversuche
2.1.4. Archaischer Damm
2.1.5. Krates-Kanal
2.1.6. Römische Hochwasserdämme
2.2. Funktion des Systems
1. Klima und Siedlungsgeschichte
Vor 8000 bis 5000 Jahren gab es ein Klimaoptikum, das sogenannte Atlantikum,
während dem die Durchschnittstemperatur 2-3° höher war
als heute (1). Seit diesem Klimaoptikum vollzieht sich, unter mehrfachen
Schwankungen von einigen Jahrhunderten Dauer ein allmählicher Temperaturrückgang.
"Dies deutet", unter nicht-Berücksichtigung der Folgen des
menschengemachten "Treibhauseffektes" unserer Zeit, "auf
den möglichen Beginn eines neuen Glazials (Eiszeit) in einigen
tausend Jahren hin" (1). Um ca 1500 v. Chr. endet eine klimatisch günstige,
weil trockenere Periode, die ca. 1000 Jahre gedauert hatte: "eine deutliche
Abkühlung, gefolgt von mehreren Gletschervorstößen (in
den Alpen), die sich bis in die zweite Hälfte des ersten Jahrtausends
unserer Zeitrechnung mehrfach wiederholen, scheint zumindest auf der
Nordhalbkugel vor 3500 Jahren eingetreten zu sein (2)."
Von nun an fiel nachweislich mehr Niederschlag, der Klimawandel sowie
einwandernde griechische Stämme lösten einen Bevölkerungsdruck
auf die Kopais aus und zwangen dazu, den Ackerbau zu optimieren (3).
Die klimatische Verschlechterung hatte außerdem zunehmende Hochwasserprobleme
für den Kopaissee zur Folge.
Erste Siedlungen in der Kopais gab es bereits im Neolithikum, ihre
Zahl nahm stetig zu. Diese Siedlungen hatten einen dorf- bis stadtähnlichen
Charakter. Sie lagen am Nordostrand der Kopais meist geschützt
oberhalb des Sees auf topographisch günstigen hochgelegenen Punkten
(4), in der Nähe von Trinkwasserquellen und landwirtschaftlich
nutzbaren Flächen (5). Am Westrand sind erste Siedlungen auf sogenannten
Schwemmfächern
der in den Kopaissee mündenden Flüsse zu finden (6), wo sie
wegen des Geländeprofils auch ohne Seeregulierung geschützt
waren (7). In Homers Schiffskatalog sind ebenfalls Siedlungen am Lauf
des Kephissos genannt (8). Vom Mittelhelladikum bis zum Späthelladikum
läßt sich ein allgemeiner Wohlstandszuwachs beobachten (9).
Zu dieser Zeit bilden sich die zwei zentralen Mächte, Orchomenos und Theben, heraus. Gleichzeitig
kam es zu einer allmählichen politischen Einigung der Region, was
sich deutlich in dem zu dieser Zeit errichteten Verteidigungssystem
von Burganlagen rund um den Kopaisse zeigt (10).

Im Späthelladikum kam es zum ersten kulturellen Zusammenbruch,
der sich auch anhand der minyschen
Keramik nachweisen läßt (11), sowie durch die
Einführung von neuen Haustypen. Im Späthelladikum lll A und
B wurden erste Festungen errichtet wie auf der Felseninsel Gla oder
Turloiannis (12). Konkreter Anlaß für die erste Errichtung
von Deichen könnte eine oder mehrere kurz nacheinender folgende
lokale Flutkatastrophen gewesen
sein.
Der Umfang des Kopaissees betrug in der Antike vermutlich 380 Stadien
(13), was ca. 70 km entspricht. Damit war der See deutlich kleiner als
bei seiner Trockenlegung im 19. Jahrhundert (110 km). Er verlief in
der Antike entlängs der Höhenlinie 95 m.

2. Deichbauten
Bis zu dem letzten Versuch der Trockenlegung des Kopaissees in der Antike
durch den genialen Ingenieur Krates unter Alexander dem Großen
im Jahr 335 v. Chr. gibt es zu den Deichbauten keine schriftlichen Quellen
oder Augenzeugenberichte. Einzelne Zeugnisse wie bei Platon (4. Jhd
v. Chr.), Pausanias (2. Jhd. n. Chr.) oder Strabon (1. Jhd n. Chr.)
sind eine schriftliche Niederlegung von einheimischen Überlieferungen
mit mehr oder weniger historischem Kern, die jedoch erst lange Zeit
später geschrieben wurden und deshalb mit Vorsicht zu betrachten
sind. Ihr Wahrheitsgehalt ist daher im Einzelfall stets genau zu überprüfen.
Die folgenden Beschreibungen basieren auf den Untersuchungen von J.
Knauss, Professor am Lehrstuhl für Wasserbau und Wassermengenwirtschaft
im Institut für Bauingenieurwesen lV an der Technischen Universität
München, der sich dieser Materie sehr intensiv gewidmet hat. Die
Datierung der Deichbauten erfolgte durch J. Knauss anhand ihrer Bauweise,
der technischen Merkmale (Archäologie) und ihrer rekonstruierten
Funktion im ganzen (Wasserbautechnik), die sich in den einzelnen Phasen
deutlich voneinander unterscheiden. (Siehe Literatur Kopais).

2.1. Bauphasen
Die Deiche und Kanäle in der Kopais können, grob betrachtet,
in sieben Bauphasen eingeteilt werden.
Erste Eindeichungen
von Buchten zur Landgewinnung (Mittelhelladikum, ca. 2000 - ca.
1550 v. Chr.).
Großer Minyscher Kanal, Mehrzwecksystem
und größte Wasserbauanlage Europas dieser Zeit, (Späthelladikum
ll ab ca. 1550 v. Chr.).
Zwei Durchtunnelungsversuche zur Rettung des Hochwasserableitungssystems
am Kephalaripass und in der Bucht von Akraiphia, (Späthelladikum
lll C, 1220 - 1150 v. Chr.).
Archaischer Damm in
der Bucht von Akraiphia nach minyschem Vorbild, großer Fehlschlag
(Archaische Zeit, 800 - 500 v. Chr.).
Krateskanal, letzter antiker Versuch einer Trockenlegung
des Sees, außerdem Wiederherstellung und Ausbau des alten Systems,
(Hellenismus, 335-332 v. Chr.).
Römische Hochwasserdämme
am Westrand der Kopais (Spätantike, 2. Jhd. n. Chr).
Neuzeitliche Trockenlegung (im 19. Jahrhundert).
2.2. Funktion des Systems
Bedeutende Stellen im gesamten System waren die Nordostbucht der Kopais
und das dort errichtete Absperrungssystem, sowie die große Katawothre,
durch die der Hauptabfluß des Kopaissees geleitet worden ist.
Das gesamte System der Deichbauten konnte auf vielfältige Weise
genutzt werden. Die von den Minyern errichteten Entwässerungskanäle
dienten gleichzeitig auch für die Schiffahrt (14) und damit auch
dem Transport. Es könnte eine Erklärung dafür sein, daß
die Minyer in Homers Schiffskatalog als große Seefahrer dargestellt
werden, da sie für den Zug nach Troia 50 Schiffe zu je 120 Mann
bereitstellen können (15). Darauf deutet beispielsweise auch der
Name der im Nordostteil gelegenen Siedlung Kopai, das heißt Ruderblatt,
hin (16). Die von Knauss rekonstruierte
Breite und Tiefe der Entwässerungskanäle machen eine Nutzung
in diesem Sinne sehr wahrscheinlich. Die Seitendämme wurden möglicherweise
als Straßen genutzt, da sie mit größeren Steinplatten
gedeckt waren (17). Darüber hinaus dienten die Kanäle der
Versorgung des Gebietes mit Trink-, Bewässerungs- und Brauchwasser
(18).
Einige der errichteten Polder
waren zugleich bei Hochwasser als Überflutungsbecken gedacht, als
auch für die Trinkwasserversorgung im trockenen Sommer, sowie für
die Bewässerung der umliegenden Felder. Gleichzeitig gab es eingedeichte
Gebiete, die als Landgewinn für Ackerbau zu betrachten sind, so
z. B. der von Lauffer und Kenny gefundene Damm bei Turloiannis (19).
Er diente möglicherweise zum Schutz der Felder gegen das Winterhochwasser
(20). Bei diesem Polder könnte es sich um die sagenhafte "Athamantische
Ebene" handeln. Das gesamte eingedeichte Gebiet betrug ca. 40 qkm, das
heißt, die Seefläche wurde von 190 qkm auf 140 qkm reduziert
(21).

Die komplexe Anlage der Deichbauten hatte auch nicht beabsichtigte Folgen
für den Kopaissee. Es kam infolge der Bauten zur vollständigen
Entwässerung des Kopaissees und damit zu seiner Trockenlegung.
Dies hatte eine intensive Torfbildung
Folge, was langfristig bis in die Neuzeit zu einem Bodenanstieg von
3m führte (22). Die Folge davon war ein Anstieg des Bodens um 3
m, damit auch des Seespiegels. Dieser vergrößerte im Verlauf
dieses Prozesses seinen Umfangs auf 110 km im 19. Jahrhundert. Eine
weitere Schwachstelle im System waren die Katawothren.
Diese waren durch Erdbeben ständig von Verstopfung und Einsturz
bedroht. Auch Sedimentation konnte den Abfluß gefährden (23).
Die Deichbauten mußten nach ihrer Errichtung vor Feinden, möglicherweise
den konkurrierenden Thebanern, geschützt werden. Ein System von Schutzburgen (24), die alle miteinander
in Sichtkontakt lagen, wurde errichtet. Möglicherweise kam es im
Verlauf des Machtkampfes
mit Theben (25) zur Störung des Systems und zum Ende der Vorherrschaft
von Orchomenos.
©Christina Dieckhhoff 2001
__________________
(1):Hupfer, Peter: Das Klimasystem der Erde, Berlin 1991, S.
253.
(2): Hupfer, Peter: Das Klimasystem Erde, S. 254. Die gleiche These
wird von Burkhard Frenzel in seinem Artikel "Dendroklimatologische Beiträge
zur Kenntnis der jüngeren Klimageschichte." in: Lozán, J.,
Graßl, H., Hupfer, P.: Warnsignal Klima, Hamburg 1998 sowie weiteren
Autoren in diesem Buch vertreten. Siehe dazu außerdem Knauss,
J.: Die Wasserbaukultur der Minyer, S. 269.
(3): Buck, J.: Boeotia, S. 38.
(4): Buck, J.: A History of Boeotia, Edmonton 1979, S. 33.
(5): Buck, J.: Boeotia, S. 33.
(6): Knauss, J.: Die Wasserbaukultur der Minyer in der Kopais. In: Boiotika.
Vorträge vom 5. Internationalen Böotien-Kolloquium, München
1989, S. 266 - 67; sowie Kalcyk, Hansjörg: Die Katawothren am ehemaligen
Kopaissee, ebenfalls in Buck, Boiotika, S. 280 - 83. An der Höhenlinie
95, das vermutliche Seeufer zu dieser Zeit, sind besonders viele mittelhelladische
Tonscherben nachzuweisen, was laut Kalcyk die oben genannte These von
Knauss belegt.
(7): Buck, Boeotia, S. 33-34.
(8): Homer, Ilias, ll, 522-23: ... die neben dem Strome Kephísos
wohnten Und die Liláia hatten im Quellgfebiet des
Kephísos.
(9): Buck, Boeotia, S. 37-38: besonders zu dieser Zeit lassen sich auch
intensive Beziehungen zu Kreta nachweisen, die bis LHlll angedauert
haben.
(10): Buck, A History of Boeotia, S. 39f.
(11): Buck, J.: Boeotia, S. 39f.
(12): Buck, J.: Boeotia, S. 38f; Hope Simpson, R.: A Gazetteer and Atlas
of Mycenean Sites, S. 116, S. 118; Knauss, Kopais 2, S. 133.
(13): Knauss, Kopais 2, S. 85f und Strabon, 9,2,19.
(14): Knauss, Wasserbauten, S. 188 und S. 231.
(15): Homer, Ilias, 2, 509 - 512.
(16): Knauss, Die Wasserbauten der Minyer in der Kopais, München
1984, S. 42.
(17): Knauss, Wasserbauten, S. 151.
(18): Knauss, Wasserbauten, S. 188.
(19): Knauss, Wasserbauten, S. 127f und S. 209f.
(20): Knauss, Wasserbauten, S. 210.
(21): Knauss, Wasserbauten, S. 178-79 und ders., Kopais 2 S. 82.
(22): Knauss, Kopais 2, S. 94f.
(23): Knauss, Wasserbauten, S. 54f.
(24):Knauss, Wasserbauten, S. 32 und S. 127f.
(25): Knauss, Wasserbauten, S. 32. Die Sage von Herakles, der die Katawothren
verstopft deuet wahrscheinlich eher auf ein Erdbeben hin, als auf menschliches
Handeln, da es wohl in der damaligen Zeit technisch nicht möglich
war, die Katawothren zum Einsturz zu bringen. Pausanias, lX, 9, 1 und
lX, 37, 2.
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