Antikes Boiotien - Ancient Boiotia | |||||||||||||||||||||||||
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Die mythischen Herrscher von OrchomenosObwohl die mythischen griechischen Genealogien als Phantasieprodukte gelten müssen, sind sie als Fiktion für frühgeschichtliche Zusammenhänge von Bedeutung. Denn die erdachten Namen weisen auf ein historisches Bewußtsein hin.[1] Im nicht schriftlichen Zeitalter der mündlichen Überlieferung trugen die Ältesten ihren Stammbaum, also die Vorfahren und deren Eheverbindungen, im Kopf. Durch Erzählungen und Kulte (Heroen) wurden sie übeliefert und an die Nachkommen weitergegeben. Zwar wurden im Laufe der Zeit die Chronologien sozusagen perspektivisch verkürzt [2] und aus politischen bzw. Legitimationsgründen zur Erbfolge auch "berichtigt", jedoch bleibt die mythische Genealogie ein Indiz für die Herkunft [3]. Boiotien war seit frühester Zeit ein Durchzugsgebiet für die Völkerwanderungen
von Nord nach Süd und Ost nach West. Die Genealogien der Herrscher von
Orchomenós legen hierfür deutliches Zeugnis ab. Mit recht hoher Sicherheit
weisen diese auf Zuwanderungen aus dem Tempetal und der Umgebung des
Pagasaischen Golfs (Golf von Volos) in Thessalien hin. Wenn man im Sinne des oben Gesagten Pausanias' Genealogie der ersten Könige von Orchomenós folgt [5], deutet bereits das Eponym des Vaters (Peneios) des ersten orchomenischen Königs Andreus auf die thessalische Herkunft. Andreus nimmt Euippe, die Enkelin eines anderen Einwanderers, zur Frau. Der Sohn aus dieser Ehe und Nachfolger in der Herrschaft ist Eteokles(Stemma). Der Großvater der Euippe und Bruder des Sisyphos, Athamas, hatte auf dem Berge Laphistion und am Ufer des Kopaissees Land erhalten. Seine Großneffen gründeten dort Koroneia und Haliartos. Ein weiterer Einwanderer, Almos, ein Sohn des Sisyphos, gründete bald darauf während der Herrschaftszeit des Eteokles das Dorf Almones [6]. Dessen Enkel, Phlegyas, wird der nächste Herrscher. Ihm folgt ein weiterer Enkel des Almos, Chryses [7]. Dessen Sohn ist Minyas (mehr zu Minyas). Nach Thomson [8] bezeichnet Minyas allerdings "das Eindringen eines neuen Elementes nach Boiotien", und er läßt mit ihm eine neue Dynastie beginnen. Aus den archäologischen Befunden ist nämlich erkennbar, daß Orchomenos kurz nach 2000 durch "frühgriechische" (Bulle), d.h. archaische Einwanderer zerstört und wieder aufgebaut wurde. Minyas könnte der königliche Anführer dieser nach Boiotien eindringenden Krieger gewesen gewesen sein, die sehr wahrscheinlich Griechen waren. (Diese brachten die minysche Keramik mit.) Die Verbindung zu Almos in der durch Pausanias (Paus. IX 36,4) überlieferten, Kontinuität vortäuschenden, Genealogie könnte dann dahin gedeutet werden, daß der Eroberer Minyas sein Königtum mit dem bisherigen Herrscherhaus des Almos verknüpfte, um so dynastische Legitimation (Stemma2) bei der ansässigen Bevölkerung zu erreichen. Der Sohn des Minyas und Namensgeber der Stadt, Orchomenós, hatte selbst keine Nachkommen. Ihm folgte deshalb der Urenkel des Athamas, Klymenos. (Weitere Herrschaftsfolge bis zum Krieg um Troja / Stemma3) Mit dessen Sohn Erginos wird zum ersten Mal die Rivalität zu Theben deutlich, das er erobert und tributpflichtig macht. Seine Söhne Trophonios und Agamedes waren berühmte Baumeister. Sie errichteten Altäre und Schatzhäuser. Die bereits göttliche Qualität des Herrscherhauses wird durch die Verbindung des Ares mit Astyoche, der Urenkelin des Klymenes, verstärkt, aus der Askalapos und Ialmos stammen. Beide führen das Kontingent von Orchomenos in den Trojanischen Krieg. Hom. Ilias 2, 511-516: (Peter Teuthorn) _____________ 1) Thomson, George: Frühgeschichte Griechenlands und der Ägäis (Originaltitel:
Studies in Ancient Greek Society, The Prehistoric Age. London 1949),
Berlin 1960, S. 142.
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