|
|
Orchomenos
Überblick
Archäolog. Plätze
Geschichte
Mythen
Quellen
Sekundärliteratur
Abbildungsnachweis
Museen
Tourismus
|
|
|
Orchomenós, seine Geschichte
Vorbemerkung
Die Zeit der Minyer / mykenische Zeit
Ein Überblick (Mitte 6.
bis Mitte 2. Jhdt.)
Orchomenós und der Boiotische Bund
... in der Zeit der Perserkriege
... in der Zeit des peloponnesischen Krieges
Orchomenós bleibt Sparta treu
Bedrängnis und Zerstörung
Bedeutungslosigkeit
Renaissance unter makedonischer Herrschaft
Pferdezucht und Reiterei
Anhang
Orchomenós in hellenistischer Zeit
Orchomenós während der Römerherrschaft
Orchomenós in byzantinischer Zeit
Vorbemerkung
Orchomenós hatte seine Blütezeit in der mykenischen Zeit.
Danach war es in Boiotien meist eine zwar starke und durchaus einflußreiche
regionale Macht, aber letztlich nur eine neben anderen. Denn die
Hauptrolle im Boiotischen Bund war an Theben gefallen.
Eine Geschichte von Orchomenós muß also immer auch die
Geschichte Boiotiens und Griechenlands vor Augen haben. In der folgenden
Darstellung möchte ich versuchen, dies zu erreichen. [Da eine zusammenfassende
Geschichte Boiotiens auf unserer Boiotien-site noch fehlt, werde ich
am Ende dieses Dokuments später mit entsprechenden links auf die
Geschichte der einzelnen Städte verweisen. Ausserdem sollen Epochenübersicht
und Zeittafel dem Leser die Orientierung erleichtern].
Wer sich ein eigenes Urteil bilden will, sei vor allem auf den RE-Beitrag
von Dieter Henning (Gesamtüberblick) hingewiesen, sowie in chronologischer
Folge auf die beiden Bücher Robert J. Bucks sowie das Buch John
Bucklers, die zusammen die Zeit von der Frühgeschichte bis zum
Ende der thebanischen Hegemonie abdecken. Natürlich sind diese
und die benutzten literarischen und anderen Quellen jeweils angegeben.
RE/Orch verwende ich in den folgenden Ausführungen für Hennig,
Dieter: Orchomenós [Geschichte, Stellung im Boiotischen Bund,
Verfassung] in RE Suppl.-Bd XIV (1974), S. 233-355.
Die Zeit der Minyer und die mykenische Zeit
Das Geschichtsbild für diese Zeit, aus der schriftliche Quellen
nicht vorliegen, wird vor allem aus dem Mythos, den architektonischen
und keramischen Überresten (Kuppelgrab, Palast, Orchomenos-Ware)
und den Wasser- und Festungsbauten der Minyer zusammengesetzt. Daraus
kann eine vorherrschende Stellung zu Beginn der Epoche abgeleitet werden.
Blütezeit von Orchomenos. Außerdem kann davon ausgegangen
werden , dass am Ende der Epoche Theben diese Rolle eingenommen hatte.
Ich verweise hierzu auf meine Ausführungen unter Mythische Könige,
Rivalität mit Theben, die minysche Keramik und auch auf die Wasserbauten
der Minyer auf der lokalen Website Kopais. Diese Themen sind am besten
über "Index" in der Navigationssleiste zu erreichen.
Ein Überblick (Mitte des 6. bis Mitte des
2. Jhdts.)
Für die Regionalmacht Orchomenós war es offenbar früh
klar, dass seine personellen und wirtschaftlichen Ressourcen für
politischen Ehrgeiz zur Vorherrschaft in Boiotien oder gar eine darüber
hinaus reichende imperiale Politik nicht ausreichten. Allerdings müssen
wohl Freiheitswille, Unabhängigkeit und Selbständigkeit dauerhaft
wichtige politische Triebkräfte gewesen sein. Ob hierbei auch das
in Orchomenós überwiegend aristokratisch geprägte Gesellschaftssystem
Einfluß gehabt hat, kann hier nicht untersucht werden, liegt aber
auf der Hand.
Orchomenós scheint es immer darum gegangen zu sein, einerseits
seinen natürlichen Einflußbereich, das Becken des Kopaissees
und dessen fruchtbare Uferlandschaft, zu kontrollieren und sich andererseits
hierbei seine Unabhängigkeit gegenüber stärkeren Kräften
in und ausserhalb dieser Region zu erhalten. So nutzte es das jeweilige
machtpolitische Kräftefeld in Griechenland und verbündete
sich in realpolitischer Weise mit Mächten, die weit genug entfernt
waren, um eine Gefahr für seine Unabhängigkeit in der Region
darzustellen, Mächte, die ihrerseits einen starken Verbündeten
in der boiotischen Region brauchten. Lange war dies Sparta, auch vor
den Persern hatte man keine Berührungsängste. Später
war Orchomenós ein natürlicher Verbündeter der aufstrebenden
Macht Makedoniens. Als allerdings die bisherigen Kleinstrukturen
von Stadtstaaten und Städtebünden den großräumigen
Strukturen des Alexanderreiches und seiner Nachfolgestaaten sowie denen
des römischen Reiches weichen mussten, versank Orchomenós
ebenso wie sein Konkurrent Theben rasch in die Bedeutungslosigkeit.
Als Pausanias Boiotien im 2. Jhdt. n. Chr. besuchte fand er eine bedeutungslose
und verödete Stadt vor, deren ehemaliger Reichtum noch unter die
Vermögensgröße eines mittel begüterten Privatmannes
geschrumpft war (Paus. VIII 33,2).
Im Folgenden versuche ich, die vorangestellten Aussagen und Thesen in
einigen Teilbereichen bzw. Beispielen schwerpunktmäßig zu
betrachten.
Orchomenós und der Boiotische Bund
Wenn in den Quellen von Orchomenós die Rede ist, ist darunter
in der Regel nicht nur der Ort Orchomenós zu verstehen, sondern
das jeweils von ihm beherrschte Gebiet. Hierzu gehörten um die
Zeit der Perserkriege und im weiteren 5. Jhdt. auf jeden Fall Chaironeia,
auch Olmónes und Hyettós (noch bis 395), ebenso Aspledón.
Hyettos liegt östlich des heutigen Loutsio und Aspledon könnte
der alte Stadtberg in Nachbarshaft des Dorfes Pyrgos sein (Zu den Lokalisierungen
siehe Lauffer, Siegffried: Lexikon der historischen Stätten, S.
274, 579 und 652).
Kopais-Überblick, entnommen aus dem von Christina
Dieckhoff verfaßten Kopais-Kapitel, vergrößern
Orchomenós war nicht immer freiwillig Mitglied des Boiotischen
Bundes, sondern versuchte generell seinen eigenen Interessen zu folgen,
trat also auch aus und wurde wieder hinein gezwungen. Im Jahr 395 stellte
es (zusammen mit ?Hysiai?/Hyettos; Chaironaia gehörte jetzt nicht
mehr dazu, sondern bildete eine eigene politische Einheit [13])
zwei der insgesamt 11 Boiotarchen, die die Bundesregierung bildeten.
Davon leitete sich das Recht ab, mit 2 x 60 = 120 politischen Mandaten
im Bundesrat an politischen Entscheidungen mitzuwirken, und die Pflicht,
zur Armee des Boiotischen Bundes, dem Bundesheer, mit 2000 Hopliten
und 200 Reitern beizutragen [1]
... in der Zeit der Perserkriege
Herodot [2] zählt
unter den mit Theben verbündeten größeren Städten
Boiotiens am Ende des 6. Jhdts. Orchomenós mit seinem Herrschaftsbereich
nicht auf, so dass man daraus schließen könnte, dass es zu
dieser Zeit dem boiotischen Bund noch nicht angehörte. Orchomenós
ging allerdings (480) nach dem Sieg der Perser bei den Thermopylen gemeinsam
mit dem übrigen Boiotien auf die Seite des Perserkönigs Xerxes
über. Dieses übereinstimmende politische Handeln in Boiotien
kkann, aanber muß noch nicht unbedingt Grund für die Annahme
der Zugehörigkeit zum Boiotischen Bund sein. Auf jeden Fall gehörte
es jedoch mit der Schlacht gegen die Athener bei Koroneia (siehe nächster
Absatz) ab 447/446 dem Bund an [14].
Athen hatte ja im Zuge seiner Vorherrschaft nach dem Sieg über
die Perser bei Plataiai (479) mit seinem Sieg bei Oinóphyta (457)
[3] auch Boiotien unter seinen
Einfluß gebracht. Zwar hatte der Kampf ursprünglich den aus
Phokis zurückkehrenden Spartanern gegolten, die sich 9 Wochen zuvor
bei Tanagra noch erfolgreich gewehrt hatten (Thuk. I 107). Nun aber
nutzte Athen seinen Sieg zu einer Klärung der Machtverhältnisse
in Boiotien. Das rigorose Vorgehen Athens schildert Thukydides knapp
aber sehr anschaulich (Thuk. I 108).
... in der Zeit des peloponnesischen Krieges
10 Jahre später aber konnte sich Boiotien von der athenischen
Vorherrschaft befreien. Hieran war Orchomenós unter Führung
der von Athen verbannten oligarchischen Orchomenier in der Schlacht
in der Nähe Koronaias maßgeblich beteiligt [4].
Henning meint (RE/Orch 346/7), diese Leistung habe eine positive Auswirkung
auf seine Stellung im Boiotischen Bund gehabt. Buck wiederum meint (Boiotian
League S. 36), das oligarchische Orchomenós habe zu diesem Zeitpunkt
bereits wieder eine reservierte Haltung gegenüber dem boiotischen
Bund eingenommen: "[...] Orchomenós [...] since 447/6 seems to
have been strongly oligarchic and not particularly pro-League". In dem
nun unter spartanischer Führung intensivierten boiotischen Bund
mußte Orchomenós wieder hinter Theben zurücktreten.
Allerdings kämpften auch in der Schlacht am Delion, die 424 mit
der Niederlage Athens endete, orchomenische Truppen - wenn auch weniger
erfolgreich - für die gesamtboiotische Sache [5].
Im Winter 427/26 wurde es durch ein starkes Erdbeben, das in der Stadt
bzw. in seinem Gebiet schwere Verwüstungen anrichtete, zusätzlich
geschwächt [6]. Nach
der Vernichtung des Athen zugewandten Plataiais (429) durch Theben und
Sparta war die Führung Thebens im boiotischen Bund nämlich
unumstritten.
Orchomenós bleibt Sparta treu
Als nach dem Ende des peloponnesischen Krieges der boiotische Bund
unter Führung Thebens auf Distanz zu Sparta ging, weil er wegen
der beginnenden spartanischen Hegemonie besorgt war, stand Orchomenós
weiter zu Sparta.
Beim Ausbruch des sogen. Korinthischen Krieges (395), in dem der boiotischen
Bund sich mit der Anti-Sparta-Koalition verbündete, schloß
sich Orchomenós beim Einmarsch der spartanischen Armee unter
Lysander diesem sofort freiwillig an und verließ damit
den Boiotischen Bund (RE/Orch 339). Orchomenós
blieb auch nach Niederlage und Tod Lysanders pro-spartanisch und behielt
bis 375 - wahrscheinlich noch länger - eine spartanische Garnison
(Xen. hell. IV 3,15. V1,29 und Diod. XV 37,1, siehe auch RE/Orcch 339).
Es blieb während der diversen Kleinkriege bis zum Antalkidasfrieden
(387) auf spartanischer und damit hinsichtlich der politischen Entwicklung
der nächsten Jahre auf der richtigen Seite. Bereits bei Beginn
der Friedensverhandlungen in Sardes (392) war die Autonomie Orchomenósī
ausdrücklich eine der Bedingungen Spartas (RE/Orch 339). Nach dem
Königsfrieden (Antalkidas) unter den Garantiemächten Persien
und Sparta behielt Orchomenós durch die Auflösung des boiotischen
Bundes seine Selbständigkeit. Zu dieser Zeit nahm es auch seine
lokalen Münzprägungen wieder auf (RE/Orch 339). Die
spartanische Politik wandte sich nun gegen Theben, das 382 besetzt wurde.
Bedrängnis und
Zerstörung
Als sich allerdings Athen mit der Gründung des 2. attischen
Seebundes an die Spitze der Anti-Sparta-Bewegung setzte und 379 Sparta
die Kontrolle über Theben verlor, war Orchomenós - ebenso
wie die pro-spartanischen Gemeinden Plataiai, Koronaia und Thespiai
- den Vergeltungsmaßnahmen Thebens ausgesetzt, die nacheinander
in den Jahren zwischen 373 und 363 und an Orchomenós 364 vollzogen
wurde.
Zunächst schlug Theben 377 eine Erhebung in Thespiai nieder. Ein
thebanischer Angriff auf Orchomenós schlug 375 noch fehl , denn
immer noch besaß es als Verbündeter Spartas eine spartanische
Garnison (Diod. XV 370, Plut. Pelop. 16f.). Diese wurde aber nach dem
anschließenden kurzen Frieden von 375 zurückgezogen. Als
in der Schlacht von Leuktra die verbündeten Athener und Thebaner
unter der Führung des thebanischen Generals Epameinondas die Vorherrschaft
Spartas brechen konnten, wurden in der Folge die nicht im boiotischen
Bund befindlichen boiotischen Städte nacheinander zur Kapitulation
gezwungen, zuletzt auch Orchomenós, wahrscheinlich nach der Schlacht
von Leuktra im späten Jahr 371. Damit endete eine fast 25 Jahre
dauernde politische Zusammenarbeit mit Sparta und es folgten die voraussehbaren
Vergeltungsmaßnahmen des politischen Gegners Theben. Orchomenós
wurde zunächst nicht in den Bund aufgenommen, sondern als Verbündeter
behandelt (so Buck). Damit hatte es mindere Rechte. Der Grund dafür
kann in der Entfernung zu Theben, dem Zentrum des Bundes, gelegen haben
oder schlicht darin, das man den oligarchisch gesinnten Orchomeniern
im demokratischen Theben weiterhin nicht traute [7].
Dass härtere Konsequenzen zunächst ausblieben, mag damit zusammenhängen,
dass eine thebanische Hegemonie anfangs noch nicht sicher bzw. noch
nicht gefestigt war. Als diese im Jahre 364 nicht mehr in Zweifel stand,
reichte ein Vorwand [8],
um Orchomenós zu zerstören und die Bevölkerung zu töten
und zu versklaven. Aber einem Teil scheint die Flucht gelungen zu sein,
u.a. auf die Insel Kos. Die Reste der Stadt wurden durch eine thebanische
Besatzung gesichert. Am Ende der thebanischen Hegemonie nach der Schlacht
von Mantineia (362) blieb die zerstörte Stadt unbedeutend.
Bedeutungslosigkeit
Orchomenós spielte in den folgenden Jahren bis zur Entscheidungsschlacht
der Makedonen von Chaironaia keine politische Rolle mehr. Im Rahmen
der kriegerischen Auseinandersetzungen um die delphische Amphiktyonie
wurde es 353 durch die Phoker besetzt, die es zusammen mit 3 anderen
Plätzen als Stützpunkt bis 346 halten konnten. Unter dem Schutz
der Phoker sind vielleicht auch einige Überlebende der angestammten
Bevölkerung nach Orchomenós zurückgekehrt. Möglicherweise
wurde es nach dem Philokratesfrieden 346 durch Theben ein 2. Mal und
endgültig zerstört. Denn dieser Friedensschluß zwischen
Athen und Makedonien, brachte für die Region neben der Neuordnung
der delphischen Amphiktyonie auch die Entmilitarisierung der Phoker,
die nun in offenen Dörfern siedeln mußten [9].
Für Orchomenós aber wurden offensichtlich keine besonderen
Schutzvereinbarungen getroffen.
Renaissance unter makedonischer Herrschaft
Mit der Schlacht von Chaironaia, in der Philipp I. von Makedonien die
von Demosthenes angeführte athenisch-thebanische Streitmacht mit
seinem erneuerten Phalanx-System besiegte, brach für Orchomenós
als Folge seiner klar pro-makedonischen Einstellung sowie der makedonischen
Politik selbst [10] eine
Renaissance an. Die überlebenden Bewohner von Orchomenós
(Paus. IX 37,8), aber auch von Thespiai und Plataiai kehrten zurück.
Bereits 338, spätestens aber 337 war Orchomenós auch wieder
dem boiotischen Bund beigetreten, denn schon in diesem Jahr kam einer
der Hieromnemones des boiotischen Bundes aus Orchomenós (RE/Orch
342). Bei der Eroberung und Zerstörung Thebens durch Alexander
als Reaktion auf einen thebanischen Aufstand unterstützen Orchomenós
und Plataiai Alexander. Nach dem Sieg Alexanders wurde mit Zustimmung
der Bundesgenossen ein umfangreiches Wiederaufbauprogramm für beide
Städte beschlossen. Für Orchomenós bedeutete dies den
Wiederaufbau bzw. die Fortsetzung des Wiederaufbaus der Stadt- und Burgmauern
sowie des Gipfelkastells auf dem Akontion.
Nach der Zerstörung Thebens übernahm Orchomenós - sozusagen
im Rollentausch - für längere Zeit, möglicherweise sogar
bis 294 die Führung des boiotischen Bundes [11].
Das offizielle Zentrum des Bundes war allerdings das Heiligtum Onchestos
[12].
Im 3. und 2. Jhdt. v. Chr. war Orchomenós eine der 5 großen
und gleich starken Städte Boiotiens, nämlich Plataiai, Thespiai,
Tanagra, Theben und Orchomenós (RE/Orch 348, 39-41).
Pferdezucht und Reiterei
"Die ihr des Kephissos Wasser
innehabt und bewohnt den Sitz schöner Fohlen,
ihr sangesreichen Königinnen des glänzenden Orchomenós,
Chariten [...]",
so besingt breits Pindar Anfang des 5. Jahrhunderts die pferdereiche
Landschaft um Orchomenós [15]
und auch auf den Münzprägungen spielt das Pferd eine hervorragende
Rolle.
Aus der Organisation des Boiotischen Bundes um 395 kann eine Mobilisierungsstärke
des Bundes von 1100 Reitern abgeleitet werden, so dass man was die allein
für den Kriegsdienst benötigten Pferde in Boiotien betrifft
von einem Vielfachen dieser Zahl ausgehen muß, wenn man an Pack-,
Transport- und Ersatzpferde denkt. Orchomenós konnte möglicherweise
hierzu einen Beitrag über seinen eigenen Bedarf hinaus leisten.
Denn, wie schon die Münzprägungen nahelegen (siehe Abb.
15) (RE/Orch 328), betrieb Orchomenós mit Sicherheit ausgiebige
Pferdezucht. Hierfür war die durchschnittlich 5 Meter über
dem Kopaissee liegende fruchtbare und trockene Schwemmlandebene des
Kephisos besonders geeignet, die sich bis zu 5 km südlich von Orchomenós
erstreckt. Nach Plutarch (Plut. Sull. 20,3 ff) war sie sehr "fruchtbar,
baumlos, für Reiterübungen geeignet" und galt als "schönste
und größte Ebene Boiotiens". Diese Ebene hieß daher
auch Hippia oder Hippias (vgl. RE/Orch 328).
Orchomenische Reiter nahmen am Alexanderzug teil und wurden mit den
übrigen griechischen Kontingenten 330 in Ekbatana - darunter auch
Reiter aus Thespiai- entlassen. (RE/Orch 342) . 329 weihten sie dem
Zeus Soter zum Dank ihrer Rückkehr einen Altar. (IG VII 3206).
Die angebliche Zusage orchomenischer Reiter zu einem Putschversuch
thebanischer Exulanten lieferte - wie bereits erwähnt - ja den
Grund für die Zerstörung von Orchomenós im Jahre 364.
ANHANG (in Stichworten)
Orchomenós in hellenistischer Zeit
294 ließ Demetrios die Kriegserklärung an den Boiotischen
Bund an den Boiotarchen von Orchomenós überbringen (RE/Orch
343). Um 250 finanzierten Bürger durch Spenden Reparaturarbeiten
am Dionysos-Tempel (RE/Orch 344).
Orchomenós während der Römerherrschaft
86 schlug Sulla Mithridates VI. bei Orchomenós. Die Stadt wurde
geplündert. "Von den Verwüstungen dieses Krieges hat O. sich
offenbar nicht mehr erholt." (RE/Orch 346). Vor der Schlacht von Pharsalos
(48 v. Chr.) trat Orchomenós zusammen mit Theben und Delphi freiwillig
auf die Seite Caesars über. Zu dieser Zeit war es aber wohl nur
noch ein unbedeutendes Dorf. (RE/Orch 346).
Orchomenós in byzantinischer Zeit
873/74 erbaute der byzantinische Statthalter von Theben in Orchomenós
die Klosterkirche der Panagia Theotókos. Aus dem 11. Jahrhundert
stammt die Dreikonchenkirche Haghios Sozon auf dem Hauptplatz von Skripú
mit zahlreichen verbauten antiken Quadersteinen. Um 1200 teilweise Wiederbesiedlung
des Stadtberges. 1311 wurde das Ritterheer des Walter von Brienne
(Athen) von katalanischen Söldnern bei Orchomenós vernichtet
(Lokalisierung nicht jedoch nicht gesichert). 1385 beherrschten die
Katalanen von Lebadeia aus auch Orchomenós.
1394 unterwarfen die Türken Böotien.
(Peter Teuthorn)
_______________
[1] Unsere Kenntnis über die Verfassung des Boiotischen
Bundes stammt aus der Hellenica Oxyrhynchia 16 (11), 3 und gibt die
Organisation für das Jahr 395 wieder.
[2] Hdt. V 79,2:
[Die Thebaner hatten das Orakel von Delphi wegen eines Rachefeldzuges
gegen Athen angerufen] Die Thebaner sagten, als sie hörten, sie
sollten ihre Nachbarn zu Hilfe rufen: "Sind nicht die Tanagraier, Koronaier
und Thespier unsere Nachbarn? Sie haben doch stets an unserer Seite
gekämpft und bereitwillig an unseren Kriegen teilgenommen. Warum
sollten wir sie noch bitten? [...]" Siehe auch Henning, RE/Orch 335.
[3] 9 Wochen nach der Schlacht von Tanagra.
[4] Thuk. I 113: Nach einer Weile zogen die Athener
gegen die verbannten Boioter, die sich in Orchomenós, Chaironeia
und einigen andern Plätzen Boiotiens hielten. Tolmides, Tolmaios'
Sohn führte gegen diese feindlichen Orte tausend Gepanzerte von
ihnen und die Abteilungen der Verbündeten. Chaironeia nahmen sie,
machten die Bewohner zu Sklaven, legten eine Besatzung hinein und zogen
wieder ab; aber auf dem Marsch wurden sie bei Koronaia angegriffen von
den boiotischen Flüchtlingen aus Orchomenós, dazu Lokrern,
Verbannten aus Euboia und ihren Gesinnungsgenossen; in der Schlacht
wurden die Athener besiegt, viele von ihnen kamen um, viele gerieten
in Gefangenschaft. Darauf schloß Athen einen Frieden, dem zufolge
es ganz Boiotien räumte, dafür aber die Gefangenen heim holen
durfte. So kehrten die verbannten Boioter zurück, und das ganze
Land hatte seine Unabhängigkeit wieder.
[5] Thuk. I 93 (Auszug): Auf dem rechten Flügel
standen die Thebaner mit ihren zugewandten Orten, in der Mitte die von
Haliartos, Koronaia, Kopais und den andern Orten um den See, den linken
Flügel bildeten die von Thespiai , Tanagra und Orchomenós;
auf beiden Flügeln waren die Reiter und die Plänkler; die
Thebaner staffelten sich 25 Schilde tief, die andern, wie es
gerade traf Dies war der Boioter Stärke und Verteilung.
Thuk. I 96, 3: Die Boioter von der linken bis zur Mitte wichen vor den
Athenern, die ihre Feinde hart bedrängten, vor allem die Thespier:
denn nach dem Rückzug der Nachbarrotten, eng umzingelt, wurden
die Thespier, soweit sie standhielten, im Handgemenge niedergehauen,
ja die Athener, die in der Wirrnis der Umzingelung sich nicht erkannten,
erschlugen sogar einige der eigenen Leute. Während also dort die
Boioter wichen und zu den noch Kämpfenden flüchteten, siegte
der rechte Flügel, wo die Thebaner standen, über die Athener
[...]
[6] Thuk. III 87, 4: In diese Zeit fallen auch die vielen
Erdbeben in Athen, Euboia, Boiotien, namentlich im boiotischen Orchomenós.
[7] Buck League, S. 105; anderer Meinung, nämlich
"zurück gezwungen" Henning RE/Orch 340, 20-23 und 348, 6-8 mit
Zitat Diod. XV 57.1.
[8] Den Vorwand hierfür lieferte ein angeblicher
Putschversuch thebanischer Exulanten, denen orchomenische Reiter ihre
Unterstützung zugesagt haben sollten (Diod. XV 79.3-6).
[9] Hermann Bengtson: Der Aufstieg Makedoniens unter
Philipp II. (359-336 v.Chr.), in ders. (Hrsg.): Griechen und Perser,
Die Mittelmeerwelt im Altertum I, Frankfurt 1965, S. 262-282, S.272.
[10] Theben erhält in der Kadmeia eine makedonische
Garnison. Oropos geht an Athen.
[11] RE/Orch 348, 31-34: "Nach der Zerstörung
von Theben war O. Sitz der Boitarchen (wahrscheinlich bis 294 v. Chr.)"
[12] Gullath, Brigitt: Untersuchungen zur Geschichte
Boiotiens in der Zeit Alexanders und der Diadochen, Frankfurt a.M. 1982,
S. 15.
[13] RE/Orch 347: "Chaironeia, das in den Hel. Oxy.
als selbständige Stadt erscheint, gehörte 424 v. Chr. noch
zu O. "
[14] RE/Orch 338: Aus der Mitte des 5. Jhdts. ist auch
eine Weiheinschrift aus Delphi bezeugt, in der sich der Stifter als
Boi/o/tioj e)xj )Erx... bezeichnet.
[15] Pindar: Siegeslieder, herausgegeben und übersetzt
und mit einer Einführung versehen von Dieter Brenner, München
1991, 14. Olympische Ode.
|
|
|
|
|