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[ Anfahrt | Geschichte
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Tanagra - heute Graimadha, Grimada, Grimathi, Grematha
Der deutsche Dichter Rainer Maria Rilke gab einem seiner Gedichte den
Titel "Tanagra". Dort beschreibt er weniger den Ort als den
Reiz, der von den dort gefundenen Grabfigürchen ausgeht. Doch der
Ort ist vor allem wegen seiner historischen Bedeutung für den interessierten
Boiotienbesucher sehenswert.
Anfahrt
Am besten erreicht man Tanagra von Theben (Thíva) aus auf der
Autobahn Richtung Athen. Diese verlässt man bei der Ausfahrt Tanagra
und biegt kurz vor dem modernen Ort links ab. Die Stätte ist nur
auf diesem Weg ausgeschildert. Nach ungefähr 5 km ist dann rechterhand
die antike Stätte zu sehen, wobei man sich am besten an dem kleinen
Pumpenhaus orientiert, das auf dem Bergkamm an der Stelle der antiken
Akropolis liegt.

Geschichte
Im Gebiet Tanagras befand sich bereits in prähistorischer
Zeit eine Siedlung, wie die reichhaltigen Funde aus einer mykenischen
Nekropole belegen. Um sie zu suchen, sollte der Besucher wegen des nahen
Militärflughafens kein Fernglas benutzen. Die berühmten, bemalten
Tonsarkophage (Larnakes)
befinden sich jetzt im Museum Theben. Im homerischen Schiffskatalog
wurde Tanagra nicht erwähnt. Herodot (5, 57) erwähnt als erste
Bewohner die Gephyraioi.
Um 700 v. Chr. führten die Bewohner Tanagras Krieg gegen die benachbarten
Eretrier. Zu dieser Zeit entstand auch der Kult des Hermes Promachos
wie man aus den Schriften der Dichterin Korinna und dem Reisebericht
des Pausanias entnehmen kann (9, 20).
Gegen 560 v. Chr. hatte Tanagra wohl eine beträchtliche Größe
erlangt. Es beteiligte sich an der Gründung der Kolonie Herakleia
Pontica an der südlichen Schwarzmeerküste. Tanagra zählte
zu den ältesten Mitgliedern des Boiotischen
Bundes und war zeitweiliger Prägeort der Bundesmünzen.
Während des 2. Perserkrieges (480/79) diente Tanagra dem persischen
Feldherrn Mardonios als Basis für dessen Zug nach Plataia.
Zur Zeit der Pentekontaëtie
(479-431) und der Auseinandersetzungen zwischen Athen und Sparta erlitten
die Athener 458 v.Chr. in der Nähe der Stadt eine schwere Niederlage,
siegten aber kurz darauf bei dem benachbarten Oinophyta. Da Tanagra
auf spartanischer Seite gestanden hatte, schleiften die Athener die
Mauern der Stadt. Von 447 bis 387 bildete es einen der elf Bundesbezirke
im Boiotischen Bund.
Im Peloponnesischen
Krieg (431-404), in welchem Boiotien wiederum auf Seiten
Spartas gegen die Athener kämpfte, verhinderte das boiotische Bundesheer
424 bei Delion, dem Hafen Tanagras, durch den Sieg gegen die Athener
einen attischen Stützpunkt.
Nach der Auflösung des Boiotischen Bundes infolge des Königsfriedens
387/6 genoss Tanagra eine gewisse Unabhängigkeit und Selbstständigkeit
unter dem Schutz einer spartanischen Garnison, so dass um 378/7 die
Stadtmauern wiedererrichtet werden konnten und Tanagras Wiederaufstieg
zu alter Größe und Bedeutung seinen Lauf nehmen konnte.
Spätestens nach der Schlacht bei Leuktra (371) gehörte Tanagra
wieder zum Boiotischen Bund und wurde sogar nach der Zerstörung
Thebens 335 v.Chr. eine der einflussreichsten Städte im hellenistischen
Boiotien.
Zur Zeit der römischen Expansionsbestrebungen in Griechenland unterstützte
Tanagra im Gegensatz zu anderen boiotischen Städten die Römer
und diente L. Mummius 146 v. Chr. möglicherweise als Basis im achäischen
Krieg.
Aufgrund dieses Entgegenkommens wurde die Stadt 145 v. Chr. zur civitas
libera et immunis, also zu einer abgabefreien Stadt mit eigener Verwaltung,
erhoben. Im 1. Jh. n. Chr. soll sie zusammen mit Thespiai die einzig
blühende Stadt in Boiotien gewesen sein (Strabon IX 403.410)
Bis zur Regierungszeit des Commodus (180-192 n. Chr.) lässt sich
noch eine eigene Münzprägung nachweisen. Tanagra ist noch
im Städteverzeichnis des Hierokles (6.Jh.) erwähnt (Synekdemos
645).
In einem geschichtlichen Abriss darf allerdings nicht ein Hinweis auf
die Dichterin Korinna fehlen, die nach Sappho wohl zu den größten
und bekanntesten griechischen Dichterinnen zählt und sogar selbst
den Thebaner Pindar in einem Dichtwettstreit besiegt haben soll.
Auch sehr bekannt war Tanagra für seine berühmte Kampfhahnzucht,
die sogar noch in der Souda, einem Lexikon aus dem 10. Jh. n. Chr. erwähnt
wird.

Rundgang
Weil im Stadtgebiet Tanagras bisher keine dokumentierte Ausgrabung
stattfand, ist an Bauten nicht viel zu sehen. Ab 2000 finden im unteren
Stadtgebiet Surveys, sowie magnetprospektive Aufnahmen statt, die neue
Kenntnisse zum urbanen Stadtkern zu Tage bringen und den rekonstruierten
Stadtplan mit archäologischen Funden untermauern. Wenig Schwierigkeiten
macht es, den Theaterhang aus der Ferne zu erkennen. Die Sitzreihen
des Theaters sind größtenteils abgerutscht und einige Architekturteile
liegen noch in der Orchestra.
Diese können aber keinen bestimmten Bauten zugeordnet werden. Um
die Ausmaße der Stadt begreifen zu können, empfiehlt sich
ein Spaziergang entlang der antiken Stadtmauerzüge, die anhand
des heutigen Bewuchses erkennbar sind. Bei diesem Rundgang lassen sich
an einigen Stellen noch Turmfundamente erkennen. Die moderne Straße
und der Wasserkanal oberhalb des Theaters trennen heute die antike Akropolis
vom restlichen Stadtgebiet. Von der Akropolis lohnt sich ein Blick hinab
ins südöstliche Tal, in dem sich vermutlich die berühmte
Schlacht von Tanagra (458 v. Chr.) zugetragen hat. Setzt man den Weg
entlang der Straße hügelabwärts fort, fällt einem
ein für Tanagra beträchtlich großes antikes Mauerstück
ins Auge (Plan), dessen zwei
untere Schichten der alten Mauer, die 457 von den Athenern geschleift
worden ist, und die beiden oberen der neuen Mauer, die 378/7 wieder
errichtet worden ist, zugerechnet werden. Von der Innenbebauung der
Stadt sieht man heute noch einige Fundamente von Säulenhallen und
Tempeln die sich auf halber Höhe des Hügels, dem sogenannten.
"Agora Ridge" befinden.

Tipps
Einen schönen Abschluss des Tanagrabesuches bietet die Weiterfahrt
nach Delion, um sich dort von der kargen Landschaft Tanagras ein wenig
zu erholen und am recht sauberen Strand entweder den Hauch der Geschichte
einzuatmen, oder die kühlende Frische des Meerwassers zu genießen.
Keinesfalls sollte man den Besuch des Museums in Theben versäumen,
in dem die berühmten Larnakes ausgestellt sind. Einen besonderen
Reiz bieten natürlich die berühmten hellenistischen Tanagrafiguren,
die Ende des 19. Jh. die Welt im Sturm erobert haben und heute in vielen
Museen zu sehen sind.

Plan
© Florian Leitmeir
April 2002 / Dezember 2003
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