Antikes Boiotien - Ancient Boiotia
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Trophonios-Orakel

 

[ Anfahrt | Mythologie | Sehenswertes | Tipps | Plan ]

Das Trophonios-Orakel in Levadeia

Das Trophonios-Orakel war überregional bedeutend. Es wurde bis ins 3. Jh. n. Chr. aufgesucht, als die meisten boiotischen Orakel bereits verstummt waren. Berühmte Besucher des Orakels waren u. a. der Lyderkönig Kroisos, der messenische Freiheitsheld Aristomanes und der Makedonenkönig Philipp II.

Anfahrt
Ausgangspunkt ist die Altstadt von Levadeia.

Der Weg


Mythologie
Die Abstammung des Trophonios ist in der Mythologie nicht eindeutig geklärt. Nach offizieller Priesterversion waren jedoch Apollon und Iokaste seine Eltern. Auch zum Leben und Wirken des Trophonios gibt es mehrere Mythen. In zwei der bekannten Überlieferungen werden er und sein Bruder Agamedes als große Baumeister bezeichnet.
In der einen wurden sie, nachdem sie den Apollontempel in Delphi erbaut hatten, von dem Gott mit einem sanften Tod belohnt.
Die andere berichtet von ihrem Betrug beim Bau eines Schatzhauses für König Hyrieus oder König Augias. Sie setzten einen Stein so, dass sie sich unbemerkt Zutritt zur Schatzkammer verschaffen konnten, um den König zu berauben. Dies blieb nicht unbemerkt, und der König ließ eine Falle stellen. Als sie nochmals einstiegen, verfing sich Agamedes in den Schlingen, worauf ihm Trophonios, um ihm Misshandlungen zu ersparen, und um unerkannt zu bleiben, den Kopf abschlug und nur den kopflosen Rumpf zurückließ. Er selbst floh nach Levadeia und starb dort in einer unterirdischen Höhle.
Später, als es in Boiotien lange Zeit nicht regnete und alles zu verdorren drohte, gingen ausgewählte Männer zum delphischen Orakel. Dieses gab ihnen den Rat, das Trophonios-Orakel aufzusuchen, um dort Trophonios zu ehren. Sie waren zuerst ratlos darüber, wo sie zu suchen hätten, bis einer von ihnen, Saon, einem Bienenschwarm nachging, und so die Orakelhöhle fand. In dieser wurden ihm auch die notwendigen Anweisungen zum Besuch des Orakels gegeben (Paus. IX 40.1- 40.3).


Besuch des Orakels in der Antike
Zum erfolgreichen Besuch des Orakels mussten laut Pausanias (IX, 39.5 - 39.14) bestimmte rituelle Handlungen vollzogen werden:

  • Der Besucher musste sich mehrere Tage in einem Haus aufhalten, das dem Agothodaimon ("guter Geist") und der Tyche ("gutes Geschick") geweiht war. Während dieser Zeit unterzog er sich rituellen Reinigungen am Fluß Herkyna.

  • Vor dem Hinabsteigen in die Höhle mussten mehrere Tiere geopfert werden, von deren Fleisch sich der Fragende ernährte. Bei jeder Opferung war ein Priester zugegen, der die Eingeweideschau vornahm. Entscheidend war aber die Opferung eines Widders unter Anrufung des Agamedes in der letzten Nacht vor dem Besuch des Orakels. Wenn die Eingeweideschau günstig ausfiel, wurde der Fragende vorbereitet.

  • Zwei etwa dreizehnjährige Bürgersöhne (Hermai) wuschen und salbten ihn am Fluß Herkyna.

  • Danach führten ihn die Priester zu zwei nebeneinander liegenden Quellen. Der Suchende mußte von der Quelle des Vergessens (Lethe) trinken, um alles bisher Gedachte zu vergessen, und er trank aus der Quelle des Erinnerns (Mnemosyne), um sich später an das beim Orakel Erfahrene zu erinnern.

  • Die Priester zeigten ihm ein von Dädalos angefertigtes Kultbild.

  • Bekleidet mit der Kulttracht stieg der Fragende zu der auf dem Berg liegenden Orakelstätte auf. Innerhalb der Orakelstätte befindet sich ein künstlicher Erdschlund, in den der Besucher über eine schmale Leiter hinunterstieg. In den Händen hielt er Honigkuchen zur Besänftigung der in der Höhle lebenden Schlangen. Eine dieser Schlangen soll der Mythologie nach Trophonios selbst gewesen sein.

  • Unten angekommen steckte er seine Beine, auf dem Rücken liegend, bis zu den Knien durch die schmale Öffnung zur Orakelstätte. Daraufhin wurde sein ganzer Körper ergriffen und nach unten gezogen. Auf diese Weise gelangte der Besucher in das Allerheiligste.

  • Die Art und Weise, wie die Orakelsuchenden ihre Zukunft erfuhren, war unterschiedlich. Einige sahen etwas, andere wiederum schienen etwas zu hören.

  • Die Hinabgestiegenen kamen durch dieselbe Öffnung wieder nach oben, wurden von den Priestern in Empfang genommen und auf den Thron der Mnemosyne gesetzt und befragt.

  • Nach der Befragung wurde der Verängstigte seiner Familie übergeben, welche ihn wieder in das Haus des Agothodaimon und der Tyche zurückbrachten. Dort erlangte der Orakelbesucher endgültig sein Bewußtsein zurück.

Ortsbeschreibung

Zu Fuß etwa zehn Minuten südlich vom Stadtzentrum Levadias entfernt, nahe des modernen Kongreßzentrums, befindet sich ein enges Tal. Hier soll seit über 2500 Jahren ein altes Erdorakel, das Orakel des Trophonios, beheimatet sein.
Der Herkyna folgend gelangt man an einigen Tavernen vorbei in die Schlucht hinein. Gleich am Anfang liegt auf der rechten Seite eine aus dem 14. Jh. stammende Fränkische Burg (B). Innerhalb des Burggeländes befindet sich an der höchsten Stelle eine Kapelle. Die Annahme, hier den Ort der Orakelhöhle lokalisieren zu können, ist falsch. Trotzdem lohnt es sich hinauf zu steigen, denn von dort aus hat man einen wunderbaren Blick auf die Kapelle Fountain of Life (3).
Nach diesem Abstecher folgt man weiter dem Verlauf des Baches und kommt über die türkische Brücke zu Steinnischen und einer Grotte (C). Deren Bedeutung und Funktion ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Vielleicht dienten die Nischen zum Aufstellen der Weihgeschenke nach dem Besuch des Orakels. Unterhalb der Grotte befinden sich einige Quellen. Bei diesen könnte es sich um die Lethe (E) und die Mnemosyne (F) handeln, aus denen der Ratsuchende trinken mußte.
Weiter auf dem Weg an einem modernen Theater vorbei führt eine Treppe zu der Kapelle Fountain of Life. Der Aufstieg ist zwar etwas steil und nimmt etwa 20 Minuten in Anspruch, aber am Ende wird die Mühe mit einem schönen Ausblick belohnt. Hinter der Metalltür, direkt gegenüber des Eingangs der Kapelle, befindet sich in der Felswand eine mit Wasser gefüllte Steinnische. Steckte der Orakelbesucher seine Beine in diese Spalte? Jedenfalls ist diese Stelle nach Pausanias Beschreibungen die Wahrscheinlichste, zumal Christen ihre Kirchen gerne an Plätzen errichteten, die bereits bedeutende Heiligtümer waren.
Noch ein weiterer Ort, der vor allem wegen seiner archäologischen Besonderheit aufgesucht werden sollte, ist der Tempel des Zeus Basileus (175-172 v. Chr.) (A). Die Erdlöcher, die zwischen dem Tempel und der modernen Kapelle des Ag. Elias zu sehen sind, werden ebenfalls als Ort des Trophonios-Orakel gedeutet.


Tipps
Der Aufstieg über die nicht immer ganz regelmässigen Stufen zu der Kapelle Fountain of Life erfordert eine gewisse Konzentration. Nach dem Abstieg ist das Verweilen in einer der Tavernen am Anfang der Schlucht fast ein Muss. Bei einem Glas Wein kann man darüber nachdenken, was die Menschen einst bewogen haben mag, ein solches Orakel auf den Plan zu rufen, aber auch warum Menschen sich dieser Prozedur unterzogen haben, oder ganz einfach den romantischen Ort auf sich wirken lassen.


Pläne

Skizze der Kapelle

Autor Roman Meier, Bearbeitung Ute Hoepfner
Mai 2002 / Juni 2004

 



 

Text als Reiselektüre

   
   
   
   
   
   
   
   
   
   
   
   
   
   
   
   
   
   
   
   
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