Antikes Boiotien - Ancient Boiotia
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Orchomenos


 

Orchomenós, seine Geschichte

Vorbemerkung
Die Zeit der Minyer / mykenische Zeit

Ein Überblick (Mitte 6. bis Mitte 2. Jhdt.)
Orchomenós und der Boiotische Bund

... in der Zeit der Perserkriege

... in der Zeit des peloponnesischen Krieges

Orchomenós bleibt Sparta treu

Bedrängnis und Zerstörung

Bedeutungslosigkeit

Renaissance unter makedonischer Herrschaft

Pferdezucht und Reiterei

Anhang

Orchomenós in hellenistischer Zeit
Orchomenós während der Römerherrschaft
Orchomenós in byzantinischer Zeit

Vorbemerkung
Orchomenós hatte seine Blütezeit in der mykenischen Zeit. Danach war es in Boiotien meist eine zwar starke und durchaus einflußreiche regionale Macht, aber letztlich nur eine neben anderen. Denn die Hauptrolle im Boiotischen Bund war an Theben gefallen.
Eine Geschichte von Orchomenós muß also immer auch die Geschichte Boiotiens und Griechenlands vor Augen haben. In der folgenden Darstellung möchte ich versuchen, dies zu erreichen. [Da eine zusammenfassende Geschichte Boiotiens auf unserer Boiotien-site noch fehlt, werde ich am Ende dieses Dokuments später mit entsprechenden links auf die Geschichte der einzelnen Städte verweisen. Ausserdem sollen Epochenübersicht und Zeittafel dem Leser die Orientierung erleichtern].
Wer sich ein eigenes Urteil bilden will, sei vor allem auf den RE-Beitrag von Dieter Henning (Gesamtüberblick) hingewiesen, sowie in chronologischer Folge auf die beiden Bücher Robert J. Bucks sowie das Buch John Bucklers, die zusammen die Zeit von der Frühgeschichte bis zum Ende der thebanischen Hegemonie abdecken. Natürlich sind diese und die benutzten literarischen und anderen Quellen jeweils angegeben. RE/Orch verwende ich in den folgenden Ausführungen für Hennig, Dieter: Orchomenós [Geschichte, Stellung im Boiotischen Bund, Verfassung] in RE Suppl.-Bd XIV (1974), S. 233-355.

Die Zeit der Minyer und die mykenische Zeit
Das Geschichtsbild für diese Zeit, aus der schriftliche Quellen nicht vorliegen, wird vor allem aus dem Mythos, den architektonischen und keramischen Überresten (Kuppelgrab, Palast, Orchomenos-Ware) und den Wasser- und Festungsbauten der Minyer zusammengesetzt. Daraus kann eine vorherrschende Stellung zu Beginn der Epoche abgeleitet werden. Blütezeit von Orchomenos. Außerdem kann davon ausgegangen werden , dass am Ende der Epoche Theben diese Rolle eingenommen hatte. Ich verweise hierzu auf meine Ausführungen unter Mythische Könige, Rivalität mit Theben, die minysche Keramik und auch auf die Wasserbauten der Minyer auf der lokalen Website Kopais. Diese Themen sind am besten über "Index" in der Navigationssleiste zu erreichen.

Ein Überblick (Mitte des 6. bis Mitte des 2. Jhdts.)
Für die Regionalmacht Orchomenós war es offenbar früh klar, dass seine personellen und wirtschaftlichen Ressourcen für politischen Ehrgeiz zur Vorherrschaft in Boiotien oder gar eine darüber hinaus reichende imperiale Politik nicht ausreichten. Allerdings müssen wohl Freiheitswille, Unabhängigkeit und Selbständigkeit dauerhaft wichtige politische Triebkräfte gewesen sein. Ob hierbei auch das in Orchomenós überwiegend aristokratisch geprägte Gesellschaftssystem Einfluß gehabt hat, kann hier nicht untersucht werden, liegt aber auf der Hand.
Orchomenós scheint es immer darum gegangen zu sein, einerseits seinen natürlichen Einflußbereich, das Becken des Kopaissees und dessen fruchtbare Uferlandschaft, zu kontrollieren und sich andererseits hierbei seine Unabhängigkeit gegenüber stärkeren Kräften in und ausserhalb dieser Region zu erhalten. So nutzte es das jeweilige machtpolitische Kräftefeld in Griechenland und verbündete sich in realpolitischer Weise mit Mächten, die weit genug entfernt waren, um eine Gefahr für seine Unabhängigkeit in der Region darzustellen, Mächte, die ihrerseits einen starken Verbündeten in der boiotischen Region brauchten. Lange war dies Sparta, auch vor den Persern hatte man keine Berührungsängste. Später war Orchomenós ein natürlicher Verbündeter der aufstrebenden Macht Makedoniens. Als allerdings die bisherigen Kleinstrukturen von Stadtstaaten und Städtebünden den großräumigen Strukturen des Alexanderreiches und seiner Nachfolgestaaten sowie denen des römischen Reiches weichen mussten, versank Orchomenós ebenso wie sein Konkurrent Theben rasch in die Bedeutungslosigkeit. Als Pausanias Boiotien im 2. Jhdt. n. Chr. besuchte fand er eine bedeutungslose und verödete Stadt vor, deren ehemaliger Reichtum noch unter die Vermögensgröße eines mittel begüterten Privatmannes geschrumpft war (Paus. VIII 33,2).
Im Folgenden versuche ich, die vorangestellten Aussagen und Thesen in einigen Teilbereichen bzw. Beispielen schwerpunktmäßig zu betrachten.

Orchomenós und der Boiotische Bund
Wenn in den Quellen von Orchomenós die Rede ist, ist darunter in der Regel nicht nur der Ort Orchomenós zu verstehen, sondern das jeweils von ihm beherrschte Gebiet. Hierzu gehörten um die Zeit der Perserkriege und im weiteren 5. Jhdt. auf jeden Fall Chaironeia, auch Olmónes und Hyettós (noch bis 395), ebenso Aspledón. Hyettos liegt östlich des heutigen Loutsio und Aspledon könnte der alte Stadtberg in Nachbarshaft des Dorfes Pyrgos sein (Zu den Lokalisierungen siehe Lauffer, Siegffried: Lexikon der historischen Stätten, S. 274, 579 und 652).


Kopais-Überblick, entnommen aus dem von Christina Dieckhoff verfaßten Kopais-Kapitel, vergrößern

Orchomenós war nicht immer freiwillig Mitglied des Boiotischen Bundes, sondern versuchte generell seinen eigenen Interessen zu folgen, trat also auch aus und wurde wieder hinein gezwungen. Im Jahr 395 stellte es (zusammen mit ?Hysiai?/Hyettos; Chaironaia gehörte jetzt nicht mehr dazu, sondern bildete eine eigene politische Einheit [13]) zwei der insgesamt 11 Boiotarchen, die die Bundesregierung bildeten. Davon leitete sich das Recht ab, mit 2 x 60 = 120 politischen Mandaten im Bundesrat an politischen Entscheidungen mitzuwirken, und die Pflicht, zur Armee des Boiotischen Bundes, dem Bundesheer, mit 2000 Hopliten und 200 Reitern beizutragen [1]

... in der Zeit der Perserkriege
Herodot [2] zählt unter den mit Theben verbündeten größeren Städten Boiotiens am Ende des 6. Jhdts. Orchomenós mit seinem Herrschaftsbereich nicht auf, so dass man daraus schließen könnte, dass es zu dieser Zeit dem boiotischen Bund noch nicht angehörte. Orchomenós ging allerdings (480) nach dem Sieg der Perser bei den Thermopylen gemeinsam mit dem übrigen Boiotien auf die Seite des Perserkönigs Xerxes über. Dieses übereinstimmende politische Handeln in Boiotien kkann, aanber muß noch nicht unbedingt Grund für die Annahme der Zugehörigkeit zum Boiotischen Bund sein. Auf jeden Fall gehörte es jedoch mit der Schlacht gegen die Athener bei Koroneia (siehe nächster Absatz) ab 447/446 dem Bund an [14]. Athen hatte ja im Zuge seiner Vorherrschaft nach dem Sieg über die Perser bei Plataiai (479) mit seinem Sieg bei Oinóphyta (457) [3] auch Boiotien unter seinen Einfluß gebracht. Zwar hatte der Kampf ursprünglich den aus Phokis zurückkehrenden Spartanern gegolten, die sich 9 Wochen zuvor bei Tanagra noch erfolgreich gewehrt hatten (Thuk. I 107). Nun aber nutzte Athen seinen Sieg zu einer Klärung der Machtverhältnisse in Boiotien. Das rigorose Vorgehen Athens schildert Thukydides knapp aber sehr anschaulich (Thuk. I 108).

... in der Zeit des peloponnesischen Krieges
10 Jahre später aber konnte sich Boiotien von der athenischen Vorherrschaft befreien. Hieran war Orchomenós unter Führung der von Athen verbannten oligarchischen Orchomenier in der Schlacht in der Nähe Koronaias maßgeblich beteiligt [4]. Henning meint (RE/Orch 346/7), diese Leistung habe eine positive Auswirkung auf seine Stellung im Boiotischen Bund gehabt. Buck wiederum meint (Boiotian League S. 36), das oligarchische Orchomenós habe zu diesem Zeitpunkt bereits wieder eine reservierte Haltung gegenüber dem boiotischen Bund eingenommen: "[...] Orchomenós [...] since 447/6 seems to have been strongly oligarchic and not particularly pro-League". In dem nun unter spartanischer Führung intensivierten boiotischen Bund mußte Orchomenós wieder hinter Theben zurücktreten. Allerdings kämpften auch in der Schlacht am Delion, die 424 mit der Niederlage Athens endete, orchomenische Truppen - wenn auch weniger erfolgreich - für die gesamtboiotische Sache [5]. Im Winter 427/26 wurde es durch ein starkes Erdbeben, das in der Stadt bzw. in seinem Gebiet schwere Verwüstungen anrichtete, zusätzlich geschwächt [6]. Nach der Vernichtung des Athen zugewandten Plataiais (429) durch Theben und Sparta war die Führung Thebens im boiotischen Bund nämlich unumstritten.

Orchomenós bleibt Sparta treu
Als nach dem Ende des peloponnesischen Krieges der boiotische Bund unter Führung Thebens auf Distanz zu Sparta ging, weil er wegen der beginnenden spartanischen Hegemonie besorgt war, stand Orchomenós weiter zu Sparta.
Beim Ausbruch des sogen. Korinthischen Krieges (395), in dem der boiotischen Bund sich mit der Anti-Sparta-Koalition verbündete, schloß sich Orchomenós beim Einmarsch der spartanischen Armee unter Lysander diesem sofort freiwillig an und verließ damit den Boiotischen Bund (RE/Orch 339). Orchomenós blieb auch nach Niederlage und Tod Lysanders pro-spartanisch und behielt bis 375 - wahrscheinlich noch länger - eine spartanische Garnison (Xen. hell. IV 3,15. V1,29 und Diod. XV 37,1, siehe auch RE/Orcch 339). Es blieb während der diversen Kleinkriege bis zum Antalkidasfrieden (387) auf spartanischer und damit hinsichtlich der politischen Entwicklung der nächsten Jahre auf der richtigen Seite. Bereits bei Beginn der Friedensverhandlungen in Sardes (392) war die Autonomie Orchomenósī ausdrücklich eine der Bedingungen Spartas (RE/Orch 339). Nach dem Königsfrieden (Antalkidas) unter den Garantiemächten Persien und Sparta behielt Orchomenós durch die Auflösung des boiotischen Bundes seine Selbständigkeit. Zu dieser Zeit nahm es auch seine lokalen Münzprägungen wieder auf (RE/Orch 339). Die spartanische Politik wandte sich nun gegen Theben, das 382 besetzt wurde.

Bedrängnis und Zerstörung
Als sich allerdings Athen mit der Gründung des 2. attischen Seebundes an die Spitze der Anti-Sparta-Bewegung setzte und 379 Sparta die Kontrolle über Theben verlor, war Orchomenós - ebenso wie die pro-spartanischen Gemeinden Plataiai, Koronaia und Thespiai - den Vergeltungsmaßnahmen Thebens ausgesetzt, die nacheinander in den Jahren zwischen 373 und 363 und an Orchomenós 364 vollzogen wurde.
Zunächst schlug Theben 377 eine Erhebung in Thespiai nieder. Ein thebanischer Angriff auf Orchomenós schlug 375 noch fehl , denn immer noch besaß es als Verbündeter Spartas eine spartanische Garnison (Diod. XV 370, Plut. Pelop. 16f.). Diese wurde aber nach dem anschließenden kurzen Frieden von 375 zurückgezogen. Als in der Schlacht von Leuktra die verbündeten Athener und Thebaner unter der Führung des thebanischen Generals Epameinondas die Vorherrschaft Spartas brechen konnten, wurden in der Folge die nicht im boiotischen Bund befindlichen boiotischen Städte nacheinander zur Kapitulation gezwungen, zuletzt auch Orchomenós, wahrscheinlich nach der Schlacht von Leuktra im späten Jahr 371. Damit endete eine fast 25 Jahre dauernde politische Zusammenarbeit mit Sparta und es folgten die voraussehbaren Vergeltungsmaßnahmen des politischen Gegners Theben. Orchomenós wurde zunächst nicht in den Bund aufgenommen, sondern als Verbündeter behandelt (so Buck). Damit hatte es mindere Rechte. Der Grund dafür kann in der Entfernung zu Theben, dem Zentrum des Bundes, gelegen haben oder schlicht darin, das man den oligarchisch gesinnten Orchomeniern im demokratischen Theben weiterhin nicht traute [7]. Dass härtere Konsequenzen zunächst ausblieben, mag damit zusammenhängen, dass eine thebanische Hegemonie anfangs noch nicht sicher bzw. noch nicht gefestigt war. Als diese im Jahre 364 nicht mehr in Zweifel stand, reichte ein Vorwand [8], um Orchomenós zu zerstören und die Bevölkerung zu töten und zu versklaven. Aber einem Teil scheint die Flucht gelungen zu sein, u.a. auf die Insel Kos. Die Reste der Stadt wurden durch eine thebanische Besatzung gesichert. Am Ende der thebanischen Hegemonie nach der Schlacht von Mantineia (362) blieb die zerstörte Stadt unbedeutend.

Bedeutungslosigkeit
Orchomenós spielte in den folgenden Jahren bis zur Entscheidungsschlacht der Makedonen von Chaironaia keine politische Rolle mehr. Im Rahmen der kriegerischen Auseinandersetzungen um die delphische Amphiktyonie wurde es 353 durch die Phoker besetzt, die es zusammen mit 3 anderen Plätzen als Stützpunkt bis 346 halten konnten. Unter dem Schutz der Phoker sind vielleicht auch einige Überlebende der angestammten Bevölkerung nach Orchomenós zurückgekehrt. Möglicherweise wurde es nach dem Philokratesfrieden 346 durch Theben ein 2. Mal und endgültig zerstört. Denn dieser Friedensschluß zwischen Athen und Makedonien, brachte für die Region neben der Neuordnung der delphischen Amphiktyonie auch die Entmilitarisierung der Phoker, die nun in offenen Dörfern siedeln mußten [9]. Für Orchomenós aber wurden offensichtlich keine besonderen Schutzvereinbarungen getroffen.

Renaissance unter makedonischer Herrschaft
Mit der Schlacht von Chaironaia, in der Philipp I. von Makedonien die von Demosthenes angeführte athenisch-thebanische Streitmacht mit seinem erneuerten Phalanx-System besiegte, brach für Orchomenós als Folge seiner klar pro-makedonischen Einstellung sowie der makedonischen Politik selbst [10] eine Renaissance an. Die überlebenden Bewohner von Orchomenós (Paus. IX 37,8), aber auch von Thespiai und Plataiai kehrten zurück. Bereits 338, spätestens aber 337 war Orchomenós auch wieder dem boiotischen Bund beigetreten, denn schon in diesem Jahr kam einer der Hieromnemones des boiotischen Bundes aus Orchomenós (RE/Orch 342). Bei der Eroberung und Zerstörung Thebens durch Alexander als Reaktion auf einen thebanischen Aufstand unterstützen Orchomenós und Plataiai Alexander. Nach dem Sieg Alexanders wurde mit Zustimmung der Bundesgenossen ein umfangreiches Wiederaufbauprogramm für beide Städte beschlossen. Für Orchomenós bedeutete dies den Wiederaufbau bzw. die Fortsetzung des Wiederaufbaus der Stadt- und Burgmauern sowie des Gipfelkastells auf dem Akontion.
Nach der Zerstörung Thebens übernahm Orchomenós - sozusagen im Rollentausch - für längere Zeit, möglicherweise sogar bis 294 die Führung des boiotischen Bundes [11]. Das offizielle Zentrum des Bundes war allerdings das Heiligtum Onchestos [12].
Im 3. und 2. Jhdt. v. Chr. war Orchomenós eine der 5 großen und gleich starken Städte Boiotiens, nämlich Plataiai, Thespiai, Tanagra, Theben und Orchomenós (RE/Orch 348, 39-41).

Pferdezucht und Reiterei
"Die ihr des Kephissos Wasser
innehabt und bewohnt den Sitz schöner Fohlen,
ihr sangesreichen Königinnen des glänzenden Orchomenós,
Chariten [...]",
so besingt breits Pindar Anfang des 5. Jahrhunderts die pferdereiche Landschaft um Orchomenós [15] und auch auf den Münzprägungen spielt das Pferd eine hervorragende Rolle.

Aus der Organisation des Boiotischen Bundes um 395 kann eine Mobilisierungsstärke des Bundes von 1100 Reitern abgeleitet werden, so dass man was die allein für den Kriegsdienst benötigten Pferde in Boiotien betrifft von einem Vielfachen dieser Zahl ausgehen muß, wenn man an Pack-, Transport- und Ersatzpferde denkt. Orchomenós konnte möglicherweise hierzu einen Beitrag über seinen eigenen Bedarf hinaus leisten. Denn, wie schon die Münzprägungen nahelegen (siehe Abb. 15) (RE/Orch 328), betrieb Orchomenós mit Sicherheit ausgiebige Pferdezucht. Hierfür war die durchschnittlich 5 Meter über dem Kopaissee liegende fruchtbare und trockene Schwemmlandebene des Kephisos besonders geeignet, die sich bis zu 5 km südlich von Orchomenós erstreckt. Nach Plutarch (Plut. Sull. 20,3 ff) war sie sehr "fruchtbar, baumlos, für Reiterübungen geeignet" und galt als "schönste und größte Ebene Boiotiens". Diese Ebene hieß daher auch Hippia oder Hippias (vgl. RE/Orch 328).
Orchomenische Reiter nahmen am Alexanderzug teil und wurden mit den übrigen griechischen Kontingenten 330 in Ekbatana - darunter auch Reiter aus Thespiai- entlassen. (RE/Orch 342) . 329 weihten sie dem Zeus Soter zum Dank ihrer Rückkehr einen Altar. (IG VII 3206).
Die angebliche Zusage orchomenischer Reiter zu einem Putschversuch thebanischer Exulanten lieferte - wie bereits erwähnt - ja den Grund für die Zerstörung von Orchomenós im Jahre 364.

ANHANG (in Stichworten)
Orchomenós in hellenistischer Zeit
294 ließ Demetrios die Kriegserklärung an den Boiotischen Bund an den Boiotarchen von Orchomenós überbringen (RE/Orch 343). Um 250 finanzierten Bürger durch Spenden Reparaturarbeiten am Dionysos-Tempel (RE/Orch 344).
Orchomenós während der Römerherrschaft
86 schlug Sulla Mithridates VI. bei Orchomenós. Die Stadt wurde geplündert. "Von den Verwüstungen dieses Krieges hat O. sich offenbar nicht mehr erholt." (RE/Orch 346). Vor der Schlacht von Pharsalos (48 v. Chr.) trat Orchomenós zusammen mit Theben und Delphi freiwillig auf die Seite Caesars über. Zu dieser Zeit war es aber wohl nur noch ein unbedeutendes Dorf. (RE/Orch 346).
Orchomenós in byzantinischer Zeit
873/74 erbaute der byzantinische Statthalter von Theben in Orchomenós die Klosterkirche der Panagia Theotókos. Aus dem 11. Jahrhundert stammt die Dreikonchenkirche Haghios Sozon auf dem Hauptplatz von Skripú mit zahlreichen verbauten antiken Quadersteinen. Um 1200 teilweise Wiederbesiedlung des Stadtberges. 1311 wurde das Ritterheer des Walter von Brienne (Athen) von katalanischen Söldnern bei Orchomenós vernichtet (Lokalisierung nicht jedoch nicht gesichert). 1385 beherrschten die Katalanen von Lebadeia aus auch Orchomenós.
1394 unterwarfen die Türken Böotien.


(Peter Teuthorn)

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[1] Unsere Kenntnis über die Verfassung des Boiotischen Bundes stammt aus der Hellenica Oxyrhynchia 16 (11), 3 und gibt die Organisation für das Jahr 395 wieder.
[2] Hdt. V 79,2:
[Die Thebaner hatten das Orakel von Delphi wegen eines Rachefeldzuges gegen Athen angerufen] Die Thebaner sagten, als sie hörten, sie sollten ihre Nachbarn zu Hilfe rufen: "Sind nicht die Tanagraier, Koronaier und Thespier unsere Nachbarn? Sie haben doch stets an unserer Seite gekämpft und bereitwillig an unseren Kriegen teilgenommen. Warum sollten wir sie noch bitten? [...]" Siehe auch Henning, RE/Orch 335.
[3] 9 Wochen nach der Schlacht von Tanagra.
[4] Thuk. I 113: Nach einer Weile zogen die Athener gegen die verbannten Boioter, die sich in Orchomenós, Chaironeia und einigen andern Plätzen Boiotiens hielten. Tolmides, Tolmaios' Sohn führte gegen diese feindlichen Orte tausend Gepanzerte von ihnen und die Abteilungen der Verbündeten. Chaironeia nahmen sie, machten die Bewohner zu Sklaven, legten eine Besatzung hinein und zogen wieder ab; aber auf dem Marsch wurden sie bei Koronaia angegriffen von den boiotischen Flüchtlingen aus Orchomenós, dazu Lokrern, Verbannten aus Euboia und ihren Gesinnungsgenossen; in der Schlacht wurden die Athener besiegt, viele von ihnen kamen um, viele gerieten in Gefangenschaft. Darauf schloß Athen einen Frieden, dem zufolge es ganz Boiotien räumte, dafür aber die Gefangenen heim holen durfte. So kehrten die verbannten Boioter zurück, und das ganze Land hatte seine Unabhängigkeit wieder.
[5] Thuk. I 93 (Auszug): Auf dem rechten Flügel standen die Thebaner mit ihren zugewandten Orten, in der Mitte die von Haliartos, Koronaia, Kopais und den andern Orten um den See, den linken Flügel bildeten die von Thespiai , Tanagra und Orchomenós; auf beiden Flügeln waren die Reiter und die Plänkler; die Thebaner staffelten sich 25 Schilde tief, die andern, wie es gerade traf Dies war der Boioter Stärke und Verteilung.
Thuk. I 96, 3: Die Boioter von der linken bis zur Mitte wichen vor den Athenern, die ihre Feinde hart bedrängten, vor allem die Thespier: denn nach dem Rückzug der Nachbarrotten, eng umzingelt, wurden die Thespier, soweit sie standhielten, im Handgemenge niedergehauen, ja die Athener, die in der Wirrnis der Umzingelung sich nicht erkannten, erschlugen sogar einige der eigenen Leute. Während also dort die Boioter wichen und zu den noch Kämpfenden flüchteten, siegte der rechte Flügel, wo die Thebaner standen, über die Athener [...]
[6] Thuk. III 87, 4: In diese Zeit fallen auch die vielen Erdbeben in Athen, Euboia, Boiotien, namentlich im boiotischen Orchomenós.
[7] Buck League, S. 105; anderer Meinung, nämlich "zurück gezwungen" Henning RE/Orch 340, 20-23 und 348, 6-8 mit Zitat Diod. XV 57.1.
[8] Den Vorwand hierfür lieferte ein angeblicher Putschversuch thebanischer Exulanten, denen orchomenische Reiter ihre Unterstützung zugesagt haben sollten (Diod. XV 79.3-6).
[9] Hermann Bengtson: Der Aufstieg Makedoniens unter Philipp II. (359-336 v.Chr.), in ders. (Hrsg.): Griechen und Perser, Die Mittelmeerwelt im Altertum I, Frankfurt 1965, S. 262-282, S.272.
[10] Theben erhält in der Kadmeia eine makedonische Garnison. Oropos geht an Athen.
[11] RE/Orch 348, 31-34: "Nach der Zerstörung von Theben war O. Sitz der Boitarchen (wahrscheinlich bis 294 v. Chr.)"
[12] Gullath, Brigitt: Untersuchungen zur Geschichte Boiotiens in der Zeit Alexanders und der Diadochen, Frankfurt a.M. 1982, S. 15.
[13] RE/Orch 347: "Chaironeia, das in den Hel. Oxy. als selbständige Stadt erscheint, gehörte 424 v. Chr. noch zu O. "
[14] RE/Orch 338: Aus der Mitte des 5. Jhdts. ist auch eine Weiheinschrift aus Delphi bezeugt, in der sich der Stifter als Boi/o/tioj e)xj )Erx... bezeichnet.
[15] Pindar: Siegeslieder, herausgegeben und übersetzt und mit einer Einführung versehen von Dieter Brenner, München 1991, 14. Olympische Ode.

   
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